Jesus von Nazaret
und die anderen Freunde bemerkten, dass Jesus nicht auf seiner Schlafstelle lag, gingen sie ihm nach und fanden ihn auÃerhalb von Kafarnaum. Sie baten ihn, wieder mit ins Dorf zu kommen, denn es wurde schon wieder nach ihm gefragt. (Lk 4,42-44) Aber Jesus wollte nicht. Er wollte Kafarnaum verlassen und zu den benachbarten Orten gehen, um dort zu den Leuten zu sprechen, und er forderte seine Freunde dazu auf, ihn zu begleiten.
Und so brach eine kleine Schar von Gefährten auf, mit Jesus durch Galiläa zu ziehen. Es war ein seltsamer Haufen, der sich da auf den Weg machte. Jesus war kein Rabbi, der eine Predigtreise machte und seine Zuhörer in der Auslegung der Schrift unterrichtete. Und seine Begleiter waren keine Schüler, die sich einen berühmten Meister zum Lehrer erwählt hatten. Es waren Männer, die gewohnt waren, hart zu arbeiten, Fische zu fangen oderein Handwerk auszuüben. Sie waren nicht reich, sondern eher arme Schlucker, Angehörige des einfachen, ungebildeten Volkes, auf das die Schriftgelehrten mit groÃer Verachtung herabsahen. 57
Simon Petrus und sein Bruder Andreas gehörten zu diesem Kreis. 58 Und auch die Brüder Johannes und Jakobus lieÃen ihre Heimat und ihre Eltern hinter sich. Jesus nannte sie »Donnersöhne«, weil manchmal ihr Temperament mit ihnen durchging und sie am liebsten Feuer vom Himmel fallen lassen wollten, um ihre Feinde zu vernichten. Auch ein anderer junger Mann, der sich Jesus anschloss, zeichnete sich nicht durch ein sanftes Gemüt aus. Er hieà ebenfalls Simon und erhielt den Spitznamen »der Eiferer«, weil er mit den Zeloten sympathisierte, die allein Gott gehorchten und die verhassten Römer mit Gewalt aus dem Land jagen wollten. Wesentlich zurückhaltender war da schon der junge Philippus, der immer etwas zögerlich war und sich erst einen Ruck geben musste, ehe er sich auf dieses Abenteuer einlieÃ.
Denn ein Abenteuer war es, das Jesus und seiner Schar bevorstand, und kein ungefährliches. Das dürfte ihnen spätestens klar geworden sein, als sie hörten, dass Johannes der Täufer von Herodes Antipas gefangen genommen und hingerichtet worden war. Flavius Josephus berichtet, dass Antipas den Johannes rechtzeitig aus dem Weg räumen wollte, ehe sein Einfluss bei den Menschen zu groà wurde und es zu einem Aufstand kam. 59
Nach den biblischen Zeugnissen waren noch andere Gründe im Spiel. (Mt 14,1-11) Johannes hatte Antipas in aller Ãffentlichkeit angeklagt, weil dieser Herodias, die Frau seines Bruders, geheiratet und damit gegen das Gesetz verstoÃen hatte. Herodias verzieh ihm das nicht und überredete Antipas dazu, Johannes in Ketten legen zu lassen. Antipas hatte Ehrfurcht vor Johannes und wollte ihn eigentlich schützen. Aber bei einem Festmahl verdrehte ihm Salome, die Tochter der Herodias, mit ihrem Tanz so sehr den Kopf, dass er ihr jeden Wunsch erfüllen wollte. Und Salome verlangte den Kopf des Täufers auf einer Schale. Dieser Wunsch wurde ihr erfüllt.
Jesus war gewarnt, zumal es Gerüchte gab, die besagten, dass Antipas schon auf diesen Mann aus Nazaret, der sich auf seinem Herrschaftsgebiet herumtrieb, aufmerksam geworden war und ihn für einen Nachfolger des Johannes hielt. Antipas war für Jesus ein »Fuchs« 60 , womit er vermutlich darauf anspielen wollte, dass Antipas jede Gelegenheit nutzte, sich beim Kaiser Tiberius einzuschmeicheln und die römischen Präfekten im Land anzuschwärzen. Besonders auf Pontius Pilatus hatte es Antipas abgesehen. Pilatus hatte Schilder mit den Anfangsbuchstaben des Kaisers an der Burg Antonia in Jerusalem aufhängen lassen und damit schwere Unruhen ausgelöst. Antipas machte sich zum Sprecher des Protestes und erreichte, dass Pilatus auf Befehl des Kaisers die Schilder wieder entfernen musste. Antipas hatte damitgezeigt, dass er sich mit den jüdischen Sitten und Empfindlichkeiten besser auskennt als Pilatus, der nicht nur in diesem Fall das nötige Fingerspitzengefühl vermissen lieÃ.
Antipas hatte seine Residenz schon vor Jahren von Sepphoris an den See Gennesaret verlegt. Am landschaftlich reizvollen Westufer des Sees, wo ein mildes Klima herrschte, hatte er eine neue prächtige Stadt erbauen lassen, die er zu Ehren des Kaisers Tiberias nannte. Allerdings lag die Stadt auf dem Gelände eines ehemaligen Friedhofes, weshalb es für gesetzestreue Juden ein unreiner Ort war, den man nicht
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