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Jesus von Nazareth - Band II

Jesus von Nazareth - Band II

Titel: Jesus von Nazareth - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt XVI
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hatte.
    Der dritte Tag ist kein „theologisches“ Datum, sondern der Tag eines Ereignisses, das für die Jünger zur entscheidenden Wende nach der Katastrophe des Kreuzes geworden ist. Josef Blank hat das so formuliert: „Das ‚am dritten Tage’ ist Datumsangabe in Übereinstimmung mit der urchristlichen Überlieferung in den Evangelien und bezieht sich auf die Entdeckung des leeren Grabes“ (
Paulus und Jesus,
S.   156).
    Ich würde hinzufügen: Es bezieht sich auf die erste Begegnung mit dem auferstandenen Herrn. Der erste Tag der Woche – der dritte nach dem Freitag – ist schon in frühester Zeit im Neuen Testament als Versammlungs- und Gottesdiensttag der christlichen Gemeinde bezeugt (vgl. 1   Kor 16,2; Apg 20,7; Offb 1,10). Bei Ignatius von Antiochien (Ende des 1., Beginn des 2.   Jahrhunderts) ist uns der Sonntag, wie wir bereits gesehen haben, schon als die neue eigene Art der Christen gegenüber der jüdischenSabbatkultur bezeugt: „Wenn nun die, die in alten Bräuchen wandelten, zu neuer Hoffnung gelangten und nicht mehr den Sabbat halten, sondern nach dem Tag des Herrn leben, an dem auch unser Leben aufging, durch ihn und seinen Tod   …“ (
Ad Magn.
9,1).
    Wenn man bedenkt, mit welchem Gewicht der Sabbat vom Schöpfungsbericht und vom Dekalog her in der alttestamentlichen Überlieferung steht, dann ist klar, dass nur ein Vorgang von umstürzender Gewalt den Verzicht auf den Sabbat und seine Ablösung durch den ersten Tag der Woche herbeiführen konnte. Nur ein Ereignis, das sich übermächtig den Seelen einprägte, konnte eine derart ins Zentrum gehende Umgestaltung in der religiösen Kultur der Woche auslösen. Theologische Spekulationen reichten dazu nicht aus. Für mich ist die Feier des Herrentages, die zur christlichen Gemeinde von Anfang an gehört, einer der stärksten Beweise dafür, dass an jenem Tag Außergewöhnliches geschehen ist – die Entdeckung des leeren Grabes und die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn.

Die Zeugen
     
    H atte Vers 4 unseres Bekenntnisses das Faktum der Auferstehung ausgelegt, so beginnt mit Vers 5 die Aufzählung der Zeugen. „Er erschien dem Kephas, dann den Zwölfen“, heißt es lapidar. Wenn wir diesen Vers als den letzten der alten Jerusalemer Formel ansehen dürfen, so hat diese Nennung besonderes theologisches Gewicht: Es wird das Fundament des Glaubens der Kirche selbst aufgezeigt.
    Einerseits bleiben „die Zwölf“ der eigentliche Grundstein der Kirche, auf den sie immer verwiesen ist. Andererseits wird der besondere Auftrag an Petrus unterstrichen, der ihm zuerst in Caesarea Philippi zuteilgeworden war, der im Abendmahlssaal bestätigt wurde (Lk 22,32) und Petrus gleichsam in die eucharistische Struktur der Kirche einführte. Nun, nach der Auferstehung, zeigt sich der Herr zuerst ihm, vor den Zwölfen, und erneuert damit noch einmal seine einzigartige Sendung.
    Wenn Christsein wesentlich Glauben an den Auferstandenen bedeutet, dann ist die besondere Zeugenschaft des Petrus eine Bestätigung des Auftrags, Fels zu sein, auf den die Kirche gebaut ist. Johannes hat in seiner Geschichte von der dreifachen Frage des Auferstandenen an Petrus – „Liebst du mich?“ – und seiner dreifachen Beauftragung zum Weiden der Herde Christi diese bleibende Sendung des Petrus für den Glauben der ganzen Kirche noch einmal deutlich unterstrichen (Joh 21,15   –   17). So geht der Bericht von der Auferstehung von selbst in Ekklesiologie über: Die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn ist Sendung und gibt der werdenden Kirche ihre Form.

2.2 DIE ERZÄHLTRADITION
     
    G ehen wir nun – nach dieser Betrachtung des wichtigsten Teils der Bekenntnistradition – zur Erzähltradition über. Während Erstere den gemeinsamen Glauben der Christenheit autoritativ in festen Formeln kondensiert und bis ins Wort hinein Verbindlichkeit für die ganze Gemeinschaft der Glaubenden beansprucht, spiegeln die Erzählungen von den Erscheinungen desAuferstandenen verschiedene Traditionen wider. Sie sind an verschiedene Traditionsträger gebunden und verteilen sich örtlich auf Jerusalem und Galiläa. Sie sind nicht in der gleichen Weise wie die Bekenntnisse in allen Einzelheiten verbindlicher Maßstab; wohl aber sind sie durch ihre Aufnahme in die Evangelien als gültige Zeugenschaft zu betrachten, die dem Glauben Inhalt und Gestalt gibt. Die Bekenntnisse setzen die Erzählungen voraus und sind aus ihnen hervorgewachsen. Sie konzentrieren den Kern des Erzählten und

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