Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jesus von Nazareth - Band II

Jesus von Nazareth - Band II

Titel: Jesus von Nazareth - Band II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedikt XVI
Vom Netzwerk:
Auferstandenen gehört, ist in den Erzählungen geradezu unbeholfen dargestellt, und eben so erscheint ihre Wahrheit. Hätte man die Auferstehung erfinden müssen, so hätte aller Nachdruck auf der vollen Leiblichkeit, auf dem unmittelbaren Wiedererkennen gelegen, und dazu wäre vielleicht eine besondere Macht als Ausweis des Auferstandenen erdacht worden. Aber in der alle Texte kennzeichnenden Widersprüchlichkeitdes Erfahrenen, in dem geheimnisvollen Zusammen von Andersheit und Identität spiegelt sich eine neue Weise des Begegnens, die apologetisch eher störend erscheint, aber umso mehr als Wiedergabe des Erlebten dasteht.
     
    Eine Hilfe, die geheimnisvollen Erscheinungen des Auferstandenen zu verstehen, können nach meinem Dafürhalten die Theophanien des Alten Testaments bieten. Ich möchte hier nur auf drei Typen solcher Theophanien kurz hinweisen.
    Da ist zunächst die Gotteserscheinung vor Abraham bei den Eichen von Mamre (Gen 18,1   –   33). Drei Männer sind es, die bei Abraham einkehren. Und doch weiß Abraham sofort, von innen her, dass es „der Herr“ ist, der bei ihm zu Gast sein will. Im Buch Josua wird uns erzählt, wie Josua, der Ausschau hält, plötzlich einen Mann mit gezücktem Schwert in der Hand vor sich stehen sieht. Josua, der ihn nicht erkennt, fragt ihn: „Gehörst du zu uns oder zu unseren Feinden?“ Er erhält die Antwort: „Nein, ich bin der Anführer des Heeres des Herrn   … Zieh deine Schuhe aus; denn der Ort, wo du stehst, ist heilig“ (5,13ff). Bezeichnend sind auch die beiden Geschichten von Gideon (Ri 6,11   –   24) und von Simson (Ri 13), wo jeweils der als Mann erscheinende „Engel des Herrn“ als solcher erkannt wird erst in dem Augenblick, in dem er sich geheimnisvoll entzieht. Beide Male verzehrt eine Flamme die dargebrachte Speise, während der „Engel des Herrn“ entschwindet. In der mythologischen Sprache erscheint zugleich einerseits die Nähe des Herrn, der sich als Mensch zeigt, und andererseits seine Andersheit, mit der er außerhalb der Gesetze des materiellen Lebens steht.
    Dies sind freilich nur Analogien, denn das Neue der „Theophanie“ des Auferstandenen besteht darin, dass Jesus wirklich Mensch ist: dass er als Mensch gelitten hat und gestorben ist; dass er nun neu lebt in der Dimension des lebendigen Gottes und dass er als wahrer Mensch und doch von Gott her erscheint – selbst Gott ist.
     
    So sind zwei Abgrenzungen wichtig. Einerseits ist Jesus nicht in die empirische Existenz zurückgekehrt, zu der das Gesetz des Todes gehört, sondern er lebt neu in der Gemeinschaft mit Gott, dem Tod für immer entzogen. Andererseits ist wichtig, dass die Begegnungen mit dem Auferstandenen etwas anderes sind als innere Ereignisse oder als mystische Erfahrungen – sie sind wirkliche Begegnungen mit dem Lebenden, der auf neue Weise Leib hat und leibhaft
bleibt
. Lukas betont das sehr nachdrücklich: Jesus ist nicht, wie die Jünger im ersten Augenblick fürchten, ein „Gespenst“, ein „Geist“, sondern hat „Fleisch und Knochen“ (Lk 24,36   –   43).
    Was ein Gespenst ist, was die Erscheinung eines „Geistes“ im Gegensatz zur Erscheinung des Auferstandenen bedeutet, kann man am besten in der biblischen Erzählung von der Totenbeschwörerin zu En-Dor sehen, die auf das Drängen Sauls hin den Geist des Samuel beschwört und aus der Unterwelt herausholt (vgl. 1   Sam 28,7ff). Der beschworene „Geist“ ist ein Toter, der als Schattenexistenz in der Unterwelt lebt, zeitweilig heraufgerufen werden kann, um aber dann wieder in die Totenwelt zurückzukehren.
    Jesus dagegen kommt nicht aus der Totenwelt, die er endgültig hinter sich gelassen hat, sondern er kommt im Gegenteil gerade aus der Welt des reinen Lebens, von Gotther als der wahrhaft Lebendige, der selbst Quell des Lebens ist. Lukas stellt den Gegensatz zum „Geist“ dadurch drastisch heraus, dass er erzählt, Jesus habe die noch immer verunsicherten Jünger um etwas Essbares gebeten und dann vor ihren Augen ein Stück gebratenen Fisch gegessen.
     
    Die allermeisten Ausleger sind der Meinung, dass Lukas hier in seinem apologetischen Eifer übertrieben habe; dass er mit einer solchen Aussage Jesus in die empirische Leiblichkeit zurückhole, die mit der Auferstehung überschritten ist. So stehe er mit seiner eigenen Erzählung im Widerspruch, in der Jesus plötzlich mitten unter den Jüngern erscheint in einer Leiblichkeit, die nicht an die Gesetze von Raum und Zeit gebunden

Weitere Kostenlose Bücher