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Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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Aspekte. Leider hat das Christentum den in der kirchlichen Tradition so unendlich starken Antijudaismus und auch den Antisemitismus in der Gesellschaft nicht kritisch angeprangert, sondern im Gegenteil noch mit zusätzlichen Argumenten gestützt. Bedeutend ist für mich auch die Erkenntnis, dass Jesus von Nazareth Kontrastgesellschaften vor Augen hatte, auch wenn er kein Revolutionär war. Ihm ging es um Umwertung der Werte. Es ist sicher so, dass Jesus einen Kreis vornehmer Frauen hatte, die ihn unterstützten, und er war sicher nicht so frauenfeindlich wie andere jüdische Kreise damals und das Mehrheitschristentum danach.
    SPIEGEL: Gefallen deshalb Papst Benedikt XVI . die Ergebnisse der historisch-kritischen Jesusforschung nicht? Im neuen zweiten Band seiner großen Jesusbiografie beklagt er, diese Forschung würde die Figur Jesus nicht näher bringen, sondern im Gegenteil immer weiter entfernen.
    MARKSCHIES : Ich glaube, dieser Papst springt hier, wie so häufig, vor und zurück. In seinen beiden Bänden nimmt er stärker als die allermeisten katholischen Neutestamentler hierzulande auch jüdische und französische Exegeten wahr. Benedikt ist jemand, der die historisch-kritische Jesusforschung gelesen hat wie kaum ein anderer systematischer Theologe, und international breit ausgerichtet wie kaum ein anderer deutscher Neutestamentler. Das sind die zwei Schritte voraus, dann kommt dieser Rückschritt. Ihn stört immer Relativismus, das Gespenst, das durch die Moderne wandert. Für einen Theologen wie Joseph Ratzinger ist neuzeitliche Pluralisierung grundsätzlich etwas Unglückliches, ja Gefährliches. Ich selbst bin ja gleichzeitig historischer Wissenschaftler und evangelischer Pfarrer. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass mir die Forschung den Jesus zerstört, im Gegenteil. Ich bin sehr dankbar dafür.
    SPIEGEL: Alles Graben nach der Bibel hat allerdings wenig gebracht, es gibt kaum Jesus-Orte im Heiligen Land, die man als authentisch bezeichnen kann. Bei der Via Dolorosa wissen wir, dass sie vermutlich in ganz anderer Richtung verlaufen ist. Sie selbst sprechen von dem »garstigen, breiten Graben« zwischen dem, was da im kollektiven Gedächtnis über die Erinnerungsorte aufbewahrt ist, und der historischen Realität.
    MARKSCHIES: Es gibt verschiedene Typen: Orte, die ein hohes Maß an Authentizität haben, sich aber schwer erschließen lassen wie die Grabeskirche. Dann gibt es Orte wie den Berg der Seligpreisungen, die sind unhistorisch. Natürlich kann man dort die Aussicht genießen …
    SPIEGEL: Wie wichtig sind überhaupt Beweise?
    MARKSCHIES: Ein Protestant würde natürlich immer sagen: Das Heil hängt nicht an irgendwelchen Steinen. Ich finde, das Land ist nicht wegen seiner spezifischen Erinnerungsstellen wichtig, sondern weil es klarmacht, Jesus hat etwas mit diesem Land zu tun, mit dem Judentum, mit dem ländlichen Leben und auch bildungsfernen Kreisen.
    SPIEGEL: Was empfinden Sie, wenn Sie auf Golgatha in der Grabeskirche stehen vor dieser Mulde, in die man die Hand stecken kann, um den Felsen zu spüren, auf dem das Kreuz gestanden haben soll? Haben Sie dann das Gefühl: Hier war es?
    MARKSCHIES: Ich habe dann das Gefühl, hier irgendwo war es. Hier ist es auch relativ wahrscheinlich, dass das Kreuz da irgendwo gestanden hat; die Grabeskirche ist unter den Memorialstätten ein ziemlicher Sonderfall.
    SPIEGEL: Gut, sagen wir, auf dem Berg Tabor, wo Jesus verklärt worden sein soll?
    MARKSCHIES: Da gucke ich vom Berg runter und denke: Meine Güte, ist Galiläa schön!
    SPIEGEL: Herr Professor Markschies, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Wiedergeburt und Ewigkeit
    Als in Palästina die ersten Christen getauft wurden, hatten andere Weltreligionen wie Judentum, Hinduismus und Buddhismus schon viele Anhänger.
    Von Rainer Traub
    Gemessen an den mehr als 200000 Jahren, in denen der Mensch die Erde bevölkert, sind die vergangenen 3000 Jahre eine recht kurze Zeit. Etwa in der ersten Hälfte dieser Spanne entstanden die großen Glaubensrichtungen, die wir heute »Weltreligionen« zu nennen pflegen. Denn im Unterschied zur unüberschaubaren Vielfalt lokal, regional oder historisch begrenzter Stammeskulte und Religionen breiteten sich diese komplexen, schriftlich fixierten Vorstellungssysteme über Länder hinweg aus.
    Die »History of Humanity«, ein Gemeinschaftswerk internationaler Historiker im Auftrag der Unesco, hebt den Zusammenhang zwischen dem Entwicklungsgrad einer Gesellschaft und dem

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