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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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Als sich die Tür öffnet, kommt mir ein Schwall schweißiger Luft entgegen. Das Gesicht von dem Typen ist wie aus Wachs. Auf jeden Fall älter als dreißig. Ich hab so eine Ahnung, daß meine alte Dame ihn gut findet, bin mir aber nicht sicher.
    »Wohnen Sie im Van?«
    »Tss - im Motel ist alles voll. Aber egal, tut meiner Firmen-Amex ganz gut.« Als er nach seinen Klamotten greift, rollen haufenweise Glasampullen über den Boden.
    »Mom meint, Sie können auf 'ne Coke reinkommen.«
    »Ich würde tatsächlich gern mal eure Toilette benutzen.
    Und vielleicht einen Happen essen.«
    »Wir haben Joy Cakes.«
    »Joy Cakes?«
    »Fragen Sie nicht.«
    Ledesma hebt eine Handvoll der winzigen Fläschchen vom Boden auf und stopft sie sich, während er in den Overall steigt, in die Tasche. Er mustert mich mit flinken schwarzen Augen. »Deine Mom ist ziemlich gestreßt heute.«
    »Das ist noch einer ihrer besseren Tage.«
    Er stößt ein asthmatisches Lachen aus - »Harcharrch, hch« - und gibt mir einen Klaps auf den Arm. Genau wie Dad, wenn ihm danach war, freundlich zu sein. Wir gehen über die Straße und zur Auffahrt hoch, doch auf Höhe der Glücksbank bleibt Ledesma stehen, um seine Eier zurechtzuschieben. Dann schüttelt er den Kopf und schaut mich an.
    »Vern - du bist doch unschuldig, oder?«
    »H-hmm.«
    »Tss, ich weiß auch nicht, warum mir das so nahegeht. Die ganze Kacke, die du abkriegst - irgendwie muß ich die ganze Zeit denken, was soll das denn für ein Scheißleben sein?«
    »Das können Sie laut sagen.«
    Er legt eine Hand auf meine Schulter. »Wenn du Hilfe brauchst - du kannst immer zu mir kommen.«
    Ich starre bloß auf meine New Jacks. Ehrlich gesagt, intime Momente sind überhaupt nicht mein Ding, ganz besonders nicht, wenn man einen Typen gerade nackt gesehen hat. Als nächstes findet man sich in einem beschissenen Fernsehfilm wieder und zittert sich einen ab. Wahrscheinlich spürt er das, jedenfalls nimmt er seine Hand weg, kneift sich noch mal im Schritt und lehnt sich gegen die Bank, die ohne Widerstand wegkippt.
    »Scheiße«, sagt er und tritt einen Schritt zurück. »Könnt ihr die nicht irgendwo hinstellen, wo's eben ist?«
    »Klar doch - in den Laden, wo sie herkommt, oder wohin?«
    Er lacht. »Du solltest deine Geschichte erzählen, Großer, deinen Namen reinwaschen - die Welt ist ganz wild auf Underdogs.«
    »Was ist denn mit den Aufnahmen von vorhin, mit Deputy Gurie?«
    »Tss - die Kamera lief gar nicht.«
    »Nicht im Ernst.«
    »Betrachte es als Freundschaftsdienst - von Underdog zu Underdog.«
    »Sie sind ein Underdog?« Als ich das sage, öffnet sich Mrs. Porters Tür, und Kurts Nase schnüffelt nach draußen.
    »Es gibt überhaupt nur Underdogs und Wahnsinnige auf dieser Welt«, sagt Ledesma. »Wahnsinnige wie Ms. Deputy mit ihrem fetten Hintern. Denk mal drüber nach.«
    Da brauch ich nicht lange nachdenken. Es gibt ein Naturgesetz, das besagt, daß man im Fernsehen zittern muß - zittern und ständig total am Ende sein. Ich bin mir ganz sicher. Jeder, der mal mit Mom Gerichtsfernsehen geguckt hat, würde sich genauso sicher sein. »Nun guck dir das an, wie teilnahmslos der ist - zehn Leute zerhackt und ihre Eingeweide gegessen und sieht aus, als wenn ihn nichts bekümmert.« Ich persönlich seh da keinen Zusammenhang zwischen Zittern und Unschuld. Wenn ihr mich fragt: Bei Leuten, die nicht deine Eingeweide essen, ist es doch viel wahrscheinlicher, daß sie teilnahmslos sind. Aber vergiß es - ich hab die Erkenntnis gemacht, daß Geschworene sich dieselben Sendungen anschauen wie meine alte Dame. Wenn du nicht zitterst, bist du schuldig. Basta.
    »Keine Ahnung«, sage ich und drehe mich zur Veranda.
    Ledesma hält inne. »Unterschätz nicht die Macht der Öffentlichkeit, Vern - die Leute wollen sehen, daß der Gerechtigkeit Genüge getan wird. Meine Meinung ist, gib ihnen, wonach sie verlangen.«
    »Aber, ich meine - ich hab nichts gemacht.«
    »Tss, aber wer weiß das schon? Die Leute entscheiden mit oder ohne Fakten - wenn du nicht selber vortrittst und dein Paradigma diktierst, macht's jemand anderes für dich.«
    »Meinims?«
    »Pa-ra-dick-ma. Niemals vom Paradigmenwechsel gehört? Ein Beispiel: Du siehst einen Mann, der seine Hand im Arsch deiner Großmutter hat. Was denkst du?«
    »Bastard.«
    »Genau. Dann erfährst du, daß da ein tödliches Insekt reingekrabbelt ist und der Mann in Wirklichkeit seinen Ekel überwunden hat, um Großmütterchen zu retten. Was denkst du

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