Jesus von Texas
jetzt?«
»Held.« Offensichtlich kennt er meine Granny nicht.
»Da hast du's, ein Paradigmenwechsel. Der Vorgang bleibt derselbe, aber die Information, nach der du ihn beurteilst, ändert sich. Zuerst wolltest du den Typen kreuzigen, weil du die Fakten nicht kanntest. Dann plötzlich willst du seine Hand schütteln.«
»Glaub ich kaum.«
»Das war bildlich gesprochen, Arschloch«, lacht er und boxt mir sechs Rippen weg. »Kann schon sein, daß die Fakten auf dem Fernsehbildschirm schwarz und weiß aussehen; aber vorher haben sich Profiteams durch Berge von Grau gekämpft, um sie dahin zu bringen. Du mußt dich positionieren - als würdest du ein Produkt auf den Markt bringen. Die Gefängnisse sind voll von Leuten, die ihr Positionsmanagement vernachlässigt haben.«
»Moment mal, ich hab schließlich einen Zeugen.«
Ledesma geht die Stufen zur Veranda hoch. »Ja, genau, und Deputy Fettarsch interessiert das einen Dreck. Die öffentliche Meinung schwenkt hinter dem ersten Wahnsinnigen ein, der auf einen Schuldigen zeigt. Dein Arsch ist frei zum Ab schuß, Großer.«
Wir quietschen durch die Fliegengittertür in die Kühle der Küche hinein. Mom ist zur Stelle. Sie hat ihr Gesicht mit dem Froschhandschuh trockengewischt; auf der Wange prangt ein verschmierter Rest Joy Cake. Die anderen alten Schachteln sind im Hintergrund und machen einen auf natürlich.
»Ladys!« sagt Lally und grinst. »Sie machen es sich hier drin gemütlich, während ich wie ein Sklave draußen vor der Tür bleiben muß?«
»Oh, Mr. Smedma«, sagt Mom.
»Eulalio Ledesma, Ma'am. Gebildete Menschen nennen mich Lally.«
»Möchten Sie eine Coke, Mr. Lesma? Ich kann Ihnen Light anbieten oder auch Light und entkoffeiniert.« Mom liebt es, wenn wichtige Leute bei uns vorbeischauen, der Doktor oder so. Ihre Wimpern flattern dann immmer wie sterbende Fliegen.
Lally hievt seinen Hintern auf die Küchenbank und macht es sich bequem. »Danke, für mich nur Wasser bitte - und vielleicht ein Stück von diesem Kuchen. Ich hab da übrigens was ganz Spannendes, Ladys, das könnte Sie interessieren.«
»Weckt mich, wenn's vorbei ist«, brummelt Pam im Hintergrund.
Lally zieht die Glasfläschchen hervor, die mit Pisse oder so gefüllt sind. »Sibirische Ginseng-Formel.« Er drückt mir eins in die Hand und zwinkert. »Besser als Viagra.«
»Hi, hi, hi«, machen die Mädchen.
»Also - Lally«, sagt Mom, »schlafen Sie im Van, oder ...?«
»Im Augenblick ja - alle Motels von hier bis Austin sind ausgebucht. Ich hab gehört, einige großzügige Bewohner dieser Stadt nehmen Gäste auf, aber bislang bin ich keinem von ihnen begegnet.«
»Na ja, also«, Moms Blick geht den Flur entlang. »Ich meine ...«
»Doris, du läßt Vernon doch nicht etwa dieses Zeug trinken, oder?« Da habt ihr sie - Georges Ablenkungstaktik. Sie löst gemischte Gefühle bei mir aus. Ich meine, einerseits bin ich froh, daß sie meine alte Dame davon abgehalten hat, Ledesma zu uns einzuladen. Andererseits ist jetzt die ganze Aufmerksamkeit auf mich gerichtet.
»Ach, das ist vollkommen harmlos«, sagt Lally. »Super gegen Streß.«
George schaut zu, wie ich mit der Ampulle spiele. Ihre Augen verengen sich, und das ist ein verdammt schlechtes Zeichen. »Klar doch, weil du ja so ungeheuer gestreßt bist, Vern. Hast du 'n Ferienjob diesen Sommer?«
»Nee«, sage ich und kippe den Ginseng hinter. Er schmeckt wie Dreck.
»Doris, hast du gehört, daß der Harris-Junge einen Transporter gekauft hat? Und bar bezahlt, einen Ford-Transporter. Alle Jungs, die ich kenne, haben Sommerjobs. Allerdings haben die auch Frisuren.«
»Nich 'n Ford«, sagt Brad vom Boden her.
»Bradley«, sagt Betty, »es wäre schön, wenn du ordentlich reden würdest.«
»Pick dich.«
»Wirst du wohl mit mir nicht so sprechen, Bradley Everett Pritchard!«
»Was denn, verdammt? Ich hab ›pick‹ gesagt, verflucht - ähm, Mann, Scheiße!« Er spuckt und windet sich über den Läufer, dann stapft er auf Betty los und schlägt ihr in den Magen.
»Bradley!«
»Pick dich, pick dich, PICK DICH ! «
Ich bleib einfach ruhig. Lally schaut rüber und sieht, daß meine Augen sehnsuchtsvoll auf den Flur gerichtet sind. Er kippt sein Ginseng hinter und sagt: »Ich weiß deine Hilfe zu schätzen, Großer - vielleicht wäre dein Zimmer besser geeignet zum Arbeiten.« Er wendet sich Mom zu. »Ich hoffe, das ist kein Problem - Vern hat sich bereit erklärt, für mich ein paar Fakten zu recherchieren, über die lokalen
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