Jesus von Texas
aus Smith County. Ein Komitee in Houston hat sogar selbstgemachtes Fudge geschickt.«
»So daß Sie mehr kostbare Zeit für die Überlebenden zur Verfügung haben, nehme ich an... « Ledesma winkt mich heran.
Gurie stockt. »Sir, die Überlebenden haben überlebt - meine Aufgabe besteht darin, die Ursache zu finden. Diese Stadt wird nicht ruhen, bevor die Ursache des Problems identifiziert ist. Und wir uns ihrer angenommen haben.«
»Aber ist denn der Fall nicht zweifelsfrei aufgeklärt?
»Nichts passiert ohne eine tiefer gehende Ursache, Sir.«
»Sie wollen sagen, daß die Gemeinschaft in ihrer Mitte suchen, daß sie sich womöglich einigen unangenehmen Wahrheiten über ihre Rolle bei der Tragödie stellen muß?«
»Ich will damit sagen, daß wir denjenigen finden müssen, der sie verursacht hat.«
Ledesmas Augen sprühen Funken. Er streckt den Arm nach meiner Schulter aus und zieht mich ins Bild. »Hat dieser junge Mann sie verursacht?«
Guries Kinne weichen zurück wie Schnecken, die mit Essig bespritzt werden. »Ch-chrrr das hab ich nicht gesagt.«
»Warum also sollte der amerikanische Steuerzahler dafür aufkommen, daß Sie ihn festnehmen und damit möglicherweise ein lebenslanges Trauma auslösen?«
Andere Reporter kommen näher. Auf Guries Gesicht braut sich Schweiß zusammen.
»Das reicht für den Moment, Mr. Lesama.«
»Deputy - das ist öffentlicher Raum. Gott persönlich kann die Kamera nicht anhalten.«
»Ich fürchte einfach, ich mache nicht die Gesetze.«
»Das Kind hat gegen Gesetze verstoßen?«
»Das wird sich herausstellen.«
»Sie verhaften ihn vorsichtshalber?«
»Ch-chr.«
Das Stirnrunzeln der Sheriffsgattin geht fast bis zu ihren Titten runter. Also ziemlich weit runter. Ledesma mustert sie abschätzend, ruhelos lungert seine Zunge in seiner Wange. Gurie versucht wegzuschlurfen, doch er schwenkt die Kamera wie ein Gewehr.
»Vielleicht könnten Sie uns den Namen des Sheriffs nennen, der Sie instruiert hat?«
So, wie Georgette Porkorney normalerweise redet, könnte man denken, der Sheriff geht ihr am Arsch vorbei. Jetzt nicht. In einem Gewühl von Kleenex fliegt ihr Telefon aus ihrer Handtasche.
»Bertram? Vaine ist im Fernsehen.«
Eine Sekunde später klingelt es in Guries Tasche. »Sheriff? Nein, Sir, ich schwör's. Bandera Road? Ungefähr zwei Blocks von hier. Hunde? Ja, Sir, bin schon unterwegs.«
Ledesma klappt seine Kamera zu und behält Vaine im Auge, die geschlagen zu ihrem Auto schlurft. Dann, gerade als ein Donnerschlag das letzte Funkeln der Sonne vom Pumpenbock wischt, dreht er sich zu mir um und zwinkert mir in Zeitlupe zu. So irre schnell, wie das geht, kann es nur Zeitlupe sein. Ich versuche, nicht zu lächeln oder eine Ladung, so groß wie Texas, fahrenzulassen.
»Du schuldest mir eine Story« - er formt die Worte lautlos mit dem Mund und legt einen kurzen, dicken Finger auf mich an. Ich nicke nur und folge meiner alten Dame auf die Veranda, gemeinsam mit Leona, George und Betty. Sie läßt sie eintreten und bleibt noch kurz an der Tür stehen, um zu sehen, ob die gute alte Mrs. Porter, die kinderlose Mrs. Porter, die ach-so-zurückhaltende Mrs. Porter, immer noch rüberschaut. Ja, sie schaut, obwohl sie versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Kurt, der Hund, schaut ganz unverblümt. Er macht sich nicht die Mühe, so zu tun als ob.
Das Letzte, was ich sehe, bevor unsere Fliegengittertür klappernd zufällt, ist Palmyra, die rasch die Auffahrt entlangwatschelt. Sie geht an Gurie vorbei und zielt mit dem Finger auf den Fleck neben ihrer Dienstmarke.
»O-ooh, Vaine - wenn das keine Barbecuesauce ist.«
In einer Welt, in der es nur Schwarz und Weiß gibt, kann alles in meinem Zimmer gegen mich verwendet werden. Ein Dickicht von Socken und Unterwäsche, durchsetzt mit geheimen Träumen. In meinem Computer hat sich massenweise Zeug angesammelt, das von der Festplatte gelöscht werden muß. Die Amputationssexbilder zum Beispiel, die ich für Silas ausgedruckt hab. Das Ding ist, er hat selber keinen Computer. Silas ist so ein kranker alter Typ - muß man echt nicht vertiefen, das Thema. Für die Bilder besorgt er uns Kids alle möglichen Sachen, wenn ihr wißt, was ich meine. Ich nehm mir vor, meine Festplatte zu löschen - »virtuelle Hygiene zu betreiben«, wie Mr. Nuckles es nennen würde. Mein Blick durchquert den Rest des Zimmers. Die Wäsche von letzter Woche liegt in einem Haufen neben meinem Bett; darunter ist Moms Unterwäschekatalog, den muß ich
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