Jesuslatschen - Größe 42
sie!
Was nun folgt, hat sicher die Wurzeln im
Fernweh eines jeden Menschen. Auf einen Zettel notiere ich eine Nachricht und
stecke diesen in den grünen Bauch einer Flasche. Dann Korken fest drauf, im
weiten Bogen ausgeholt und ab in die Fluten. Nein, nicht in den Glascontainer,
diese Flasche gehört einfach dorthin. Wer wird meine Nachricht jemals lesen?
Wird sie gelesen? Ich träume noch eine Weile der schaukelnden Flaschenpost
nach.
„Message in a Bottle “
Sting
Gute Nacht, Baumi ,
Lutz und Hartmut.
Mittwoch, 03.05.2006
Cudillero - Valdes
Guten Morgen, du Schöne-Stadt.
Heute Nacht habe ich eine Sequenz vom
Jakobsweg geträumt.
Das Gekreisch einer Möwe vor dem offenen
Fenster hat mich geweckt und somit auch einen angenehmen Traum beendet. Am
blauen Himmel schwebten einige Drachen mit der Aufschrift „Camino Santiago“.
Alle Menschen schauten jubelnd nach oben und winkten diesen bunten Flugobjekten
zu. Ich selbst winkte auch und rief freudig aus voller Kehle in die gleiche
Richtung: „Ich komme.“
Den Morgenkaffee genieße ich in einem
Straßencafé direkt an der Plaza. Der Blick fällt wieder auf die seltsam
gestapelten bunten Häuser. Im Vordergrund die alte Fischmarkthalle mit der
weiten Bogentür , Santorinblau umrahmt. Zur Jahrhundertwende ging hier sicher die Post, um nicht zu sagen, der
Fisch ab. Am frühen Morgen vor dieser farbigen Kulisse sitzen zu können ist ein
kleiner Luxus. Sehr viele derartige Fischerorte findet man in der Gegend nicht
mehr. Daher fällt mir das Weitergehen schwer. Ich gehe am Hafen und an einer
kleinen Werft vorbei. Von Meeresspiegelhöhe an folgt ein steiler Anstieg und
ich stehe nach einer Stunde auf dem Felsen, welchen ich gestern Abend vom
Leuchtturm aus betrachtet habe.
Durch
Wald, Dorf und endlich grünende Natur komme ich allmählich wieder ins Pilgerlot.
Ein zugewachsener Pfad hält mich regelrecht fest. Da hilft kein Protest, es
geht nur noch mühsam weiter. Dorniges Gestrüpp und kleinwüchsige Kiefern säumen
den Weg. Mir fällt ein Kiefernbusch besonders auf. Aus dessen Zweigen sprießen
die jungen Maitriebe mit Macht in die Spitzen.
Dieser
Anblick erinnert mich an einen Moment, in dem ich vor Jahren mit meiner Mutter
auf unserer Gartenbank saß. Sie schaute damals im Mai auf die Reihe von
Silbertannen, welche unseren Garten begrenzt, und meinte zu mir: „Du musst im
Frühjahr auf diese Spitzen schauen, das beruhigt.“
Meine Mutter ist leider
schon verstorben, dieser Satz kehrt, mit seiner Einfachheit, oft in meinen Sinn.
Neben ihrem Grab wächst eine große Tanne. Die Gartenbank steht am selben Fleck,
durch die Zweige der Silbertannen streift der Wind...
„Mother“
John
Lennon
In
diesem Augenblick ist sie auf dem Weg neben mir. Beim genaueren Hinschauen
bemerke ich, dass die Triebe eines Zweiges die Form einer Hand darstellen. Ich
gehe nah heran, hole mit meiner offenen Hand aus und „gebe Fünf“ zum einsamen
Gruß.
Um
das vor mir liegende Tal nicht durchqueren zu müssen, gehe ich über eine
gigantische Hochbrücke. Auf der anderen Seite des Tales führt ein Bilderbuchweg
nach Soto de Luina . Für die Herberge am Ort ist es
noch zu früh. Also Proviant einkaufen, eine kurze Rast auf der Kirchenwiese und
weiter den „Gelben Pfeilen“ folgen.
Der
Camino ist hier durch weitere Autobahnbaustellen total verbaut, deshalb folgen
nun längere Landstraßenpassagen. Nach acht Kilometern fängt es an zu regnen,
und es hört einfach nicht wieder auf. Eine halbe Stunde Pause unter einer stark
befahrenen Autobahnbrücke lässt mich etwas frusten, da der Regen immer stärker
wird. Direkt über mir ist die Einstiegsluke, über welche man in das Innere des
stählernen Brückentroges gelangt. Ich liebäugele mit dem Gedanken, die Nacht im
Bauch dieser Brücke zu verbringen.
Durch
meine Tätigkeit als Werkstoffprüfer weiß ich sehr wohl, wie es im Inneren einer
solchen Konstruktion aussieht und scheue mich kaum davor. Jedoch der Lärm,
welchen die Fahrzeuge über mir erzeugen und die rostige, metallische Kälte der
„Behausung“ halten mich letztendlich davon ab.
Weiter
geht es im Regen bis an eine einsame Tankstelle. Ein Espresso, zwei vor sich
hin talkende und werbende Fernseher, ein krächzendes, Musiklärm aussprudelndes
Radio sowie lauter laute Gäste. Kontrastprogramm. Wieso brauchen fünf Gäste,
die sich unentwegt gestenreich unterhalten, noch zwei Fernseher und ein Radio?
Zur Unterhaltung
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