Jesuslatschen - Größe 42
Hinterhofparkplatz hat sich etwas getan. Das schwarze
Fahrzeug aus der Nationalflagge ist sicher schon früh gestartet, nun steht nur
noch Rot und Gold sinnleer im Hof. Die entstandene
Parklücke gibt den Blick auf das Rot frei. Ein älterer Renault 19, der nicht
sofort starten kann, er hat einen Platten. Auch Gelb ereilt demnächst sein
Schicksal, auf diesem quittegelben VW-Transporter steht „SE VENDE“ (zu
verkaufen).
Graue
Wohnhäuser begrenzen weiterhin die Hauptstraße, derselbe trostlose Anblick wie
gestern Abend. Trotz der Morgensonne kommt Glanz auf diese triste Straße. Mitten
auf einer Gabelung der breiten Hauptstraße steht ein alter knorriger
Olivenbaum. Der ist sicher schon wesentlich älter als diese Asphaltstraße. Dem
Baum gegenüber gehe ich in ein kleines Geschäft, um etwas Wegzehrung zu kaufen.
Mir fällt ein großer kegelförmiger Käse in der stark duftenden Auslage auf. Er
hat die Form eines überdimensionalen Kreisels. Der blau beschürzte ältere Herr
im Geschäft kann mir allerdings dieses Unikum nur in spanischer Sprache
erklären. Verstanden habe ich nichts. So ein Käse. Dieser geräucherte Käse,
erfahre ich später, ist als „San Simon“ weltbekannt. Diese kulinarische
Köstlichkeit wird nur hier in Vilalba hergestellt.
An
einem Wehrturm der alten Festung beginnt die Stadtmauer. Parallel dazu verläuft
der Jakobsweg. Vorbei an den letzten Häusern des Ortes, allmählich abfallend
bis hinunter zum Fluss. Im aufsteigenden Nebel gehe ich am Fluss entlang, die
Sonne erhebt sich hinter den Bergen. Sie gibt den Wiesen, dem Wald und der noch
nahen Stadt einen nebligen gold-glänzenden Schein. Gleich nach der nächsten
Brücke erblicke ich, direkt am Fluss, eine aus Natursteinen gemauerte, längst
aufgegebene, Wassermühle. Die Bauart des alten Gebäudes, die Lage in dieser
Landschaft und diese Morgenstimmung lassen Vergleiche mit Irland zu. Beide
Regionen haben einen keltischen Ursprung, die Spuren sind noch längst nicht
verwischt.
Dieses
interessante Haus möchte ich mir gern einmal näher ansehen. Da die Haustür
fehlt, kann ich ungehindert das Innere des Hauses erkunden. Es hat den
Anschein, als ob hier jemand aufgebrochen ist und bislang den Weg nach Hause
nicht gefunden hat.
Ein
verstaubter Schrank, der in die Wand eingemauerte Herd, das steinerne
Abwaschbecken, alles ist von einer gleichmäßigen Staubschicht bedeckt. Am Boden
liegt ein origineller Hut, dieser Schlapphut ist total verdreckt. Er hätte eine
Sonderbehandlung nötig, die ich ihm mit meinen bescheidenen Mitteln nicht
bieten kann. Je nach Wetterlage trage ich entweder ein Piratentuch, welches
mehrmals täglich an Quellen und Brunnen durchfeuchtet wird und somit für kühle
Gedanken sorgt. Oder ich trage einen einfachen schwarzen Wetterschlapphut,
welchen ich für 2,90 Euro im Supermercado erstanden
habe. Bei Starkregen trägt man natürlich Kapuze.
Dieser
alte Müllerhut bleibt liegen, man muss auch mal hart bleiben in solchen
fundamentalen Fragen. Draußen im Garten steht ein gänzlich zugewachsener
Ziehbrunnen mit einem dazugehörigen Waschstein. Man kann sich trotz der
Verlassenheit des Anwesens gut das Leben in dieser Mühle vorstellen. Wie der
Platz gefunden wurde um hier zu siedeln, das Haus mühevoll errichtet wird, um
dann über mehrere Generationen hier zu leben und mit Hilfe des Flusses zu
arbeiten. Im hinteren Teil hat sich Herr Müller ins All katapultiert, das halbe
Dach fehlt, man kann vom Bett aus den Himmel sehen. Eins ist offensichtlich,
die Bewohner dieses Hauses haben einfach gelebt, eben einfach gelebt, bis zum
Ende.
Das
folgende, ebenso total entvölkerte Dörfchen Ponte Rodriguez lässt auf spätere
Generationen hoffen, die all das hier erkennen und an der Stelle weiterleben
möchten. Entlang der Nationalstraße gelange ich auf einer abzweigenden Piste
wieder in die Natur. Auf diesem Weg durch menschenleeres Land, erreiche ich die
mittelalterliche Bogenbrücke „Ponte de Saa “. Ein
idealer Flecken für Wegelagerer und Banditen. Diese dunklen Gestalten waren nur
auf den wertvollen Inhalt der Händlerfuhrwerke und Kutschen aus. Der Jakobsweg
war im Mittelalter keine reine Pilgerstrecke, sondern auch ein wichtiger
Handelsweg, der die wichtigsten Metropolen ganz Europas miteinander verband.
Die ausgebauten Hauptverbindungen zwischen den verschiedenen Handelszentren,
wie Pamplona, Burgos oder León, wurden von den Tempelrittern überwacht und
geschützt. Da die Templer dem Papst direkt
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