JesusLuxus - Die Kunst wahrhaft verschwenderischen Lebens
spazieren, isst, sieht alles Mögliche und befasst sich mit dem, was getan werden muss: mit dem Staubsaugerbeutel, dem Abendessen, dem Schreiben der Einkaufsliste für Mabel. Damals als Kind, aber auch heute noch, enthalten meine Tage ein verhältnismäßig großes Quantum dieser Watte, dieses Nichtseins.
Wer etwas Wertvolles sicher einpacken will, hüllt es in Watte. So ist das Unwichtige, Leere, vermeintlich Nichtige im Leben, die Watte, möglicherweise genauso wichtig wie die wertvollen Momente unseres Lebens. Doch es kommt darauf an, sie vor lauter Watte und Verpackungsmaterial nicht zu übersehen. Was Diamant ist und was Watte, das erkennt man oft erst hinterher. Woran erinnern Sie sich aus dem letzten Jahr? Da sind die großen Ereignisse: ein Familienfest, eine Krankheit, eine Veränderung im Beruf. Aber daneben auch einzelne, kleine, eher zufällig ausgewählte Bilder, wie die auf dem Wasser tanzenden Fliegen bei dem Spaziergang am See, der Duft von Jasmin vor dem Restaurant auf dem Berg. Luxuriöse Edelsteine, versteckt in einem großen Bett aus grauem Sand.
Unser Leben ist nicht wie ein endloser Videofilm, aufgezeichnet auf einer riesigen, erbarmungslosen Festplatte. Sondern es ist eher wie ein Album, ein Muster aus Juwelen, Bilder einer Ausstellung. Momente, die wir liebevoll sammeln und sorgsam behandeln, damit wir ihren Wert bewahren.
Die leere Tafel
Aus dem Nichts schafft Gott Leben. Die Mystikerinnen und Mystiker der christlichen Tradition haben immer wieder betont: Wer Gott begegnen will, darf nicht bei der Schöpfung und ihren vielfältigen Gestaltungsformen verweilen. Wer Gott begegnen will, muss zurück ins Nichts. Meister Eckhart sagt das so:
W enn dein Herz für Gott, den Allerhöchsten, bereit sein will, dann muss es auf einem reinen Nichts stehen. Denn dann ist es am empfänglichsten. Das ist so wie bei einer Tafel. Wenn ich auf der Tafel schreiben will, dann mag, was auf der Tafel steht, zwar wichtig sein oder klug - es hält mich aber vom Schreiben ab. Wenn ich trotzdem schreiben will, muss ich löschen, was auf der Tafel steht. Am allerbesten kann ich auf der Tafel schreiben, wenn gar nichts mehr auf ihr steht.
Die Tafel löschen, das klingt einfach. Aber es ist schwierig, weil wir keine unbeschriebenen Blätter sind. Wer hat nicht alles in unserem Herzen und unserem Denken seine Abdrücke hinterlassen! Generationen von Vorstellungen, Bildern und Gesetzen sind auf der Tafel unserer Seele. Dort gibt es eine Angst vor der Leere, einen Horror vor dem leeren Raum. Sie beruht wohl auf der Angst, dass der Tod stärker ist als das Leben.
Deshalb ist es ein Grundprinzip der Natur, das Nichts mit Leben zu füllen. In den tiefsten Höhlen wachsen einfache Flechten, in den unwirtlichsten Wüsten finden sich Pflanzensamen und Tiere mit erstaunlichen Anpassungsfähigkeiten. Auch unser Geist möchte die leeren Flächen in den letzten Höhlen und Wüsten des Denkens füllen. Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Gibt es Gott? Wie sieht er aus? Wie von selbst siedeln sich dort Bilder an. Samen gehen auf, deren Herkunft wir manchmal gar nicht mehr kennen. Bilder aus der Kindheit: Gott als alter Mann mit langem Bart. Oder Bilder aus alten Kathedralen: Christus der Weltenherrscher auf goldenem Grund. Oder Bilder aus der Bibel: Gott mit einem Mantel, dessen Saum den Tempel füllt. Gott im brennenden Dornbusch. Gott in der Wolkensäule am Tag, in der Feuersäule in der Nacht.
In solchen Bildern suchen wir Halt. In solchen Bildern offenbart sich Gott. Solche Bilder sind gut. Aber jedes Bild, jede noch so gut gemeinte oder gut gemachte Vorstellung ist vorläufig. Sie kann Gott nicht fassen. Meister Eckhart warnt ausdrücklich:
I hr sollt wissen, dass alles, was man in Worte fasst und den Leuten in Bildern vorlegt, nur eine Lockung ist zu Gott. Dass wir Gott nicht finden, liegt daran, dass wir in Bildern und Gleichnissen stehen bleiben, da wir doch den suchen, der nicht Gleichnisse hat. Auch was die Schrift bieten kann, sind Gleichnisse, Gott mehr ungleich als ihm gleich. Versinkt aber die Seele in die Gottheit, so verliert sie alles äußere Bild.
»Auch die Bibel bietet lediglich Bilder, Buchstaben auf Papier, Gleichnisse.« Das ist ein harter Satz. So viele Menschen glauben, in der Bibel einen unmittelbaren Zugang zu bekommen zu Gott. Es muss ihnen erscheinen, als würde am Fundament des Glaubens gesägt, wenn hier einer sagt, dass alle Aussagen der Heiligen Schrift Gott mehr ungleich
Weitere Kostenlose Bücher