Jetzt Reichts Mir
Lampenfieber nicht noch zu verstärken, verzichte ich in diesen Rhetorikseminaren auf die große Kritik am Redestil meiner Teilnehmer. Denn so eine Rückmeldung würde ihr Lampenfieber nur noch steigern. Um das zu verhindern, arbeite ich mit der Strategie der Korrektur und Bestätigung. In kleinen Schritten korrigiere ich das Redeverhalten. Immer, wenn der Teilnehmer etwas verbessert hat, bekommt er sofort eine Bestätigung. »Bitte stehen Sie ein wenig aufrechter.« »Ja, jetzt ist Ihre Haltung sehr gut.« »Jetzt etwas länger die Zuhörer anschauen.« »Ja, Ihr Blickkontakt ist schon viel besser.« »Könnten Sie noch etwas langsamer reden?« »Ja, das war schon langsamer als vorher. Wenn Sie etwas betonen wollen, können Sie ruhig noch viel langsamer sprechen.« »Prima, jetzt wirken Sie sehr viel souveräner.«
Jede kleine Korrektur ist für den betreffenden Teilnehmer sofort machbar und führt zu einem Erfolgserlebnis. So verbessert sich das Redeverhalten in kleinen, einfachen Schritten. Also keine große Kritik, nur viele kleine Korrekturen mit sofortiger Bestätigung.
3. Strategie: Kritisieren Sie nicht, machen Sie nur Verbesserungsvorschläge
Präsentieren Sie Ihrem hypersensiblen Gegenüber gleich eine Verbesserung. Beginnen Sie das Gespräch mit einem Vorschlag. »Ich habe eine Idee, wie wir unsere wöchentlichen Besprechungen noch mehr straffen können.« Kein Wort darüber, dass die Meetings viel zu lang sind. Oder statt den Partner zu kritisieren, weil er vergesslich ist, sprechen Sie gleich die Verbesserung an: »Ich möchte dir einen Vorschlag machen: Du könntest vorher eine Liste schreiben, damit du nächstes Mal wirklich an alles denkst.« Mit der Idee, etwas zu verbessern, machen Sie die bisherigen Leistungen Ihres Gegenübers nicht schlecht. Sie greifen nichts an, Sie werten nichts ab. Sie sagen im Grunde nur: »So könnte es noch besser gehen.«
4. Strategie: Kritisieren Sie nicht, liefern Sie nur Lösungsideen
Ähnlich wie die Strategie der Verbesserungsvorschläge funktioniert auch die Strategie der Lösungsideen. Sie kritisieren nicht, sondern Sie sprechen von einem gemeinsamen Problem, für das Sie ein paar Lösungsideen haben. Indem Sie von einem gemeinsamen Problem sprechen, umgehen Sie das leidige Thema, »Sie haben etwas falsch oder schlecht gemacht«. Genau dieses Schlechte und Falsche will der Hypersensible nicht auf sich sitzen lassen. Das wehrt er ab. Überspringen Sie deshalb diesen Punkt. Steuern Sie sofort darauf zu, wie Sie und Ihr Gegenüber aus dem Schlamassel herauskommen. Benennen Sie kurz das Problem und dann konzentrieren Sie sich auf die Lösung. Wie sehen Ihre Lösungsvorschläge aus? Fragen Sie auch Ihr Gegenüber, wie er das Problem gern lösen würde. Solange Sie vorwiegend über Lösungen reden, fühlt sich der Hypersensible nicht allzu sehr in seinem Selbstwertgefühl bedroht.
Darf man seinen Vorgesetzten kritisieren?
Eindeutig ja. Er oder sie gehört schließlich auch zu den Personen, mit denen wir Tag für Tag auskommen wollen oder müssen. Und dazu brauchen wir auch hier gegenseitige Rückmeldungen. Kritik ist keine Einbahnstraße, die nur von oben nach unten funktioniert.
Der Vorgesetzte braucht umgekehrt auch das Feedback seiner Mitarbeiter, um sein Führungsverhalten zu verbessern. Ein guter Chef, der seine Rolle ernst nimmt, bittet von sich aus seine Mitarbeiter um ein ehrliches Feedback. Soweit die Theorie.
In der Praxis ist die Kritik am Chef immer noch eine Seltenheit. Nein, das stimmt nicht ganz. Der Chef wird schon kritisiert. Und zwar kräftig. Allerdings nur, wenn er nicht dabei ist. Hinter dem Rücken des Vorgesetzten wird gern und ausführlich über ihn oder sie geredet. Aber eine Rückmeldung direkt von Angesicht zu Angesicht? Das ist eher selten. In vielen Firmen findet das überhaupt nicht statt.
Dennoch: Chefs brauchen Rückmeldungen. Sie können nicht immer im luftleeren Raum arbeiten, allein gelassen mit ihren Vorstellungen, die sie sich selbst einreden. Sie brauchen ein Gegenüber, das ihnen sagt, was sie gut machen und was sie besser machen könnten. Oft wird ein externer Berater oder ein Coach engagiert, der dieses fehlende Feedback liefern soll. Wobei es natürlich wesentlich besser (und auch preiswerter) wäre, wenn die Rückmeldungen direkt von den Leuten kämen, die täglich dem Führungsverhalten des Chefs ausgesetzt sind. Sie, die Mitarbeiter, sind die wirklichen Experten. Sie wissen, um was sich der Chef kümmert und was
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