Jetzt Reichts Mir
Obwohl wir hundert Mal gehört haben, dass Süßigkeiten nur dick machen, greifen wir dennoch viel zu gern zum Kuchen, zur Schokolade oder nehmen uns gleich zwei Portionen von dem leckeren Dessert. Das Lustgefühl war stärker als das kritische
Feedback unserer Waage im Badezimmer. Obwohl wir wissen, dass wir eigentlich regelmäßig Sport treiben sollten und das auch vom Hausarzt zu hören bekommen, sitzen wir schon wieder vor dem Fernseher. Auch hier war das gute Gefühl der Bequemlichkeit stärker als das vernünftige Feedback anderer Leute.
Es gibt noch einen anderen Widerstand gegen eine Kritik. Das sind die tiefen Prägungen des jeweiligen Charakters. Egal, wie konstruktiv Sie auf eine scheue, zurückgezogene Person einreden, Sie werden es nicht schaffen, diesen scheuen Menschen in einen extrovertierten Draufgänger zu verwandeln. Der Charakter eines Menschen lässt sich ein wenig dehnen, aber nicht grundlegend ändern. Vielleicht ist dieser scheue Mensch bereit, Sie auf eine Party zu begleiten. Aber er wird sich dort nicht in eine Stimmungskanone verwandeln und alle Partygäste zum Ententanz animieren. Jedenfalls nicht ohne Drogen. Nein, dieser scheue Mensch wird wahrscheinlich allein am Rand sitzen und alles beobachten.
Sie können einzelne, konkrete Verhaltensweisen beeinflussen. Aber nur, wenn der Betreffende auch mitspielt und das auch selber will. Will der andere nicht, sind Sie machtlos. Den Charakter eines Menschen grundlegend umzukrempeln schaffen nicht einmal die Veränderungsprofis, also nicht einmal die Psychotherapeuten oder Pädagogen. Auch diese Profis können bestenfalls einige Verhaltensweisen beeinflussen. Die grundsätzliche seelische Struktur eines Menschen ist erstaunlich hartnäckig.
3. Wir können andere Menschen ein wenig ändern, indem wir ihnen etwas Neues beibringen
Wir können bis ins hohe Alter Fremdsprachen und Tanzschritte lernen. Wir können lernen, die Nudeln al dente zu kochen, die Rechnungen richtig abzuheften und anderen aufmerksam zuzuhören. Wir können lernen, mit unserem Ärger
angemessen umzugehen, eine Störung sachlich anzusprechen, und wir können lernen, andere Menschen in ihrem So-sein zu respektieren.
Beim Lernen gilt das Prinzip der Freiwilligkeit. Sie können niemanden dazu zwingen, etwas Neues aufzunehmen. Ist Ihr Gegenüber aber bereit zu lernen, dann braucht er eine gute Anleitung und ausreichend Zeit zum Üben. Je nachdem, wie viele Vorkenntnisse und Talente schon da sind, geht das Lernen mal schneller und auch mal langsamer. Am Ende ist jede neue Fähigkeit einfach nur Übungssache. Dabei möchte ich Ihnen eines verraten: Wir lernen am liebsten die Dinge, die unserem Charakter entsprechen. Das sind die Dinge, die sich nahtlos in unsere vorhandene Prägung einbetten. Was uns gegen den Strich geht, lernen wir nur schwer oder gar nicht.
Die andere Seite der Kritik: Anerkennung, Wertschätzung und Dankbarkeit
Bisher ging es um kritische Rückmeldungen und um Störungen. Also darum, wie Sie anderen Leuten etwas Unangenehmes oder Negatives sagen können. Mit Recht fragen Sie jetzt: Wo bleibt das Positive? Man kann doch auch anderen Leuten sagen, was in Ordnung ist und was sie gut gemacht haben. Das stimmt. Genau deshalb geht es jetzt um die andere Seite der Rückmeldung. Es geht darum, wie Sie Ihre Anerkennung und Wertschätzung ausdrücken können. Dabei stoßen wir sofort auf ein offensichtliches Problem: Echte Anerkennung ist absolute Mangelware.
An vielen Arbeitsplätzen, aber auch in vielen Partnerschaften, herrscht an dieser Stelle nur Stillschweigen nach dem Motto: »Das, was gut funktioniert, ist selbstverständlich und darüber muss man kein Wort verlieren.«
Aber wo die ausgesprochene Anerkennung fehlt, entsteht eine Lücke. Eine Anerkennungslücke. Und in diese Lücke nistet sich gern das leise, unzufriedene Nörgeln ein. Statt sich gegenseitig die Wertschätzung zu zeigen, schauen alle Beteiligten hauptsächlich auf das, was sie nervt, ärgert oder frustriert. Das Positive fällt unter den Tisch und auf dem Tisch macht sich das Negative breit.
Warum es so wenig echte Anerkennung gibt
In vielen privaten Beziehungen und auch im beruflichen Bereich gibt es Anerkennung nur zu den hohen Feiertagen. Wertschätzende Worte fallen allenfalls bei der Goldenen Hochzeit, dem achtzigsten Geburtstag oder der Verleihung einer Ehrennadel in Gold für besondere Verdienste. Aber im gewöhnlichen Alltag herrscht Dürre. Alle suchen nach Anerkennung und keiner
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