Jetzt tu ich erstmal nichts - und dann warte ich ab
wird perfekt nach einem kurzen Telefongespräch, einem knappen E-Mail-Wechsel und erst recht nach einem
persönlichen Treffen. Bei dem einen ist es die Mutter, bei dem andern der Vater und beim Dritten die ganze Familie. Die Exotika aller Couleur im
Kollegenkreis nicht zu vergessen. Bevor Ihr Kopf also für die Erledigung einer wichtigen Angelegenheit frei wird, greifen Sie einfach zum Telefon und
nutzen Sie Ihren regelmäßigen Pflichtanruf bei Ihrem schwierigen Zeitgenossen strategisch. Sollte das Gespräch zu harmonisch verlaufen, streifen Sie
einfach ein altes Konfliktthema. Die Erbschaftsgeschichte von Anno Tobak, heikle Fragen der Kindererziehung oder Ihren vollkommen anderen Geschmack
in allen Lebensbereichen … Es lohnt sich. Das Gespräch wird mindestens noch einen halben Tag nachbrennen. Wenn Sie Glück haben, gelangen Sie auch an neue
Informationen, die unverzüglich an die wichtigstenKnotenpunkte in Ihrem sozialen Netz weiter kommuniziert werden müssen. Da springen in
der Regel locker fünf weitere Telefonate dabei raus. Ist die Lawine erst ins Rollen gebracht, dürfen Sie diesen Tag getrost aus Ihrem Kalender streichen
…
Nach dieser Aufwärmübung zu den nervlich belastenden Ablenkungen, bei der noch vieles dem Zufall überlassen wird, möchte ich Ihnen die gezieltere
Variante nicht vorenthalten. Sie werden die Strategie sofort verstehen, wenn Sie den Schachzug von Olga gelesen haben:
Olga hätte längst mit der Reisekostenabrechnung fertig sein müssen. Zufällig kommt der Chef, aufgrund eines Außentermins, heute
später ins Büro. Eigentlich genau die Galgenfrist, die sie noch retten könnte. Von Minute zu Minute wurmt es sie mehr, was ihr heute Morgen von einer
Kollegin zugetragen wurde. Da hat doch gestern tatsächlich die Sekretärin von der Nachbarabteilung auf einer Sitzung behauptet, dass das neue
Ordnungssystem auf ihrem Mist gewachsen sei. So eine Frechheit! Das Konzept hatte Olga von A bis Z allein entwickelt. Jetzt ist Schluss mit lustig. Olga
schreibt eine Rundmail an alle Abteilungsleiter und bedankt sich überschwänglich für die positive Resonanz auf ihre ureigene Lösung. Sie wundere sich
sehr, dass es noch immer Menschen in ihrem nähren Umfeld gäbe, die sich gern mit fremden Federn schmücken würden.
Olga schlägt das Herz bis zum Hals, als sie auf »Senden« drückt. Ihr Puls wird danach nicht ruhiger. Wann würde das Telefon klingeln und das
Gewitter losbrechen?
Das Telefon klingelt die ganze Woche nicht. Zumindest nicht aus diesem Grund. Es verdichten sich die Gerüchte, die Nachbarsekretärin würde eine
Kollegin nach der anderen auf ihre Seite ziehen. Olga kann nachts nicht mehr schlafen. Der Konflikt geht ihr nicht mehr aus dem Kopf. Die
Reisekostenabrechnung liegt ihr wie Blei im Magen. Aber unter diesenUmständen ist es Olga nicht möglich, die nötige Konzentration
dafür aufzubringen …
Hier greift die Aufschiebende zu härteren Bandagen. Wieder gibt es einen Impuls von außen. Wieder gibt es eine Entscheidung zu
treffen. Anfänger im Schiebe-Business hätten erst die Reisekostenabrechnung gemacht und dann noch einmal über den Konflikt mit der Kollegin eine Nacht
geschlafen. Nicht so bei Olga. Das ungemütliche Gefühl, das ihr die Abrechnung verursacht, wird mit der angefachten Fehde betäubt.
Dieses besonders scharfe Schiebe-Mittel ist nur Fortgeschrittenen zu empfehlen. Es wirkt durchschlagend auf alle Lebensbereiche und lässt sich selten
adäquat dosieren. Doch bevor sich ein Aufschieber wie das Kaninchen vor der Schlange fühlt, schießt er manchmal lieber mit Kanonen auf Spatzen.
Setze dir keine Prioritäten
Überall wird Werbung dafür gemacht, man solle sich Prioritäten setzen. Auf jedem Seminar für Zeitmanagement lernt man als erstes: »Sei
ein Mann, fang mit dem Wichtigsten an!« (Oder: »Sei eine Frau, und mach das erste genau«) Nur so erlebst du den Geschmack von Freiheit und Abenteuer! Und
dann reitest du einsam durch die Prärie von Termin zu Termin und zur Belohnung warten am Ende eines langen Tages auf dich nur Überstunden.
Wenn Sie es mit dem Aufschieben ernst meinen, dann hören Sie bitte auf mit dem Prioritäten setzen. Ich weiß wie schwer es ist, davon weg zu kommen. Ich
war ja früher auch total abhängig. Und wenn Sie schon unbedingt Prioritäten setzen müssen, dann fangen Sie bitte immer mit dem Unwichtigsten an!
Wenn man morgens zur Arbeit kommt, was macht man dann als erstes?
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