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Jetzt wirds ernst

Jetzt wirds ernst

Titel: Jetzt wirds ernst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Seethaler
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mit meinem Vorgänger verziehen. Der Kameramann gab Anweisung, den Eidechsenbehälter neu auszuleuchten und aus den Hasenkäfigen die frischen
Scheißekügelchen zu entfernen. Die Hauptdarstellerin schrie plötzlich nach der Maske, woraufhin sofort der freundliche Homo angerannt kam und mit spitzen Fingern ein Strähnchen
zurechtlegte. Schließlich brüllte die Aufnahmeleiterin etwas Unverständliches und es ging los.
    Die Szene war einfach: Die junge Tierhändlerin steht gerade in ihrem Laden und füttert ein schwerkrankes Kätzchen, als die Tür aufgeht und ein junger Mann (ich) hereinkommt
und sagt: »Ich komme, um die Babykaninchen für das Labor abzuholen!«, worauf die junge Tierhändlerin erbost ist, das schwerkranke Kätzchen behutsam in sein Körbchen
legt und dem jungen Mann (mir) mit ein paar kräftigen Ohrfeigen den Weg auf die Straße weist.
    Wir mussten die Szene siebzehnmal drehen.
    Beim ersten Mal brach der Tonmann ab. Irgendwo aus einem Nebenraum hörte man ihn heiser »Stopp!« brüllen. Schwierigkeiten mit der Tonanlage, die schnell behoben wurden.
    Beim zweiten Mal klemmte die Ladentür. Ich rüttelte so lange am Knauf, bis der Regisseur abbrach. Es stellte sich heraus, dass die Hauptdarstellerin versehentlich abgesperrt hatte. Sie
entschuldigte sich mit einem kindlich-schuldbewussten Lächeln, alle lachten wohlwollend, der freundliche Homo kam wieder angehopst, um das Strähnchen hinzubiegen, dann ging es weiter.
    Die nächsten Versuche gingen auf meine Kappe. Auf einmal brachte ich das Wort »Babykaninchen« nicht mehr heraus. Ich verlallte das Baby, verstolperte das Kaninchen oder
vernuschelte überhaupt das ganze Wort. Außerdem kam mir der Satz plötzlich komisch vor.
    Was hatten Babykaninchen in einem Labor verloren? Was war das überhaupt für ein Labor? Und wer war eigentlich »ich«? Immer wieder sagte ich mir den Satz im Stillen vor,
aber kaum ging es los, stimmte er nicht mehr und meine Gedanken begannen zu kreisen. Die Worte gerieten ins Trudeln und vermischten sich zu einem zähflüssigen Brei, aus dem ich vergeblich
einen Sinn herauszurühren versuchte. Ich sagte: »Ich komme, um die kleinen Kaninchen ins Laboratorium einzuliefern!«, oder: »Ich bin hier, um die Zwerghasen
abzugreifen!« Es war, als ob meine Zunge über meine Gedanken stolpern würde. Dabei lastete die Verantwortung für die Szene auf ihr. Für den ganzen Film. Für das Team,
das fünfzigköpfig um mich herumstand und mir beim Lallen und Stolpern und Nuscheln zusah. Mir wurde ein bisschen schwindlig. Das »Bitte!« des Regisseurs drang nur noch wie
durch Watte zu mir. Die Gesichter begannen zu verschwimmen und als undeutlich verwaberte Flecken um mich herumzutanzen. Und dazwischen stand die Kamera. Die Linse war erbarmungslos auf mich
gerichtet, schwarz und glänzend wie ein Krähenauge. Oder wie die Mündung eines Gewehrs. Ich fing an zu schwitzen. Alle paar Sekunden kam der freundliche Homo, um mir die Stirn
abzutupfen. Jemand drückte mir einen Becher Kaffee in die Hand, jemand anders lachte unterdrückt, irgendwo im gleißenden Lichtnebel der Scheinwerfer tauchte plötzlich das
Mündchen des Regieassistenten auf, schwebte ein paar Sekunden direkt vor meinem Gesicht hoch und nieder, verzog sich zu einem verächtlichen Lächeln und flatterte wieder davon, wie
ein Schmetterling im Sonnenlicht.
    Der Regisseur brach ab und nahm mich zur Seite.
    »Was ist dein Problem, Kleiner?«
    »Weiß nicht«, sagte ich während sich mein Kreislauf allmählich wieder beruhigte. »Der Text ist scheiße!«
    »Was hast du erwartet? Das hier ist Fernsehen!«
    Ich nickte und trank meinen Kaffee auf einen Zug aus. Er war heiß, stark und süß. Sofort fühlte ich mich besser.
    »Alles klar«, sagte ich, zerknüllte den Pappbecher und ließ ihn mit einer demonstrativ lässigen Bewegung aufs Pflaster fallen. »Es kann weitergehen!«
    Und tatsächlich saß der Satz beim nächsten Mal. Ich stürmte in den Laden und sagte: »Ich komme, um die Babykaninchen für das Labor abzuholen!« Die junge
Tierhändlerin legte das Kätzchen weg und begann plötzlich ohne Ankündigung auf mich einzuschlagen. Ich duckte mich, versuchte auszuweichen und die Ohrfeigen abzublocken. Dabei
verlor ich das Gleichgewicht, taumelte ein paar Schritte zurück und rammte einen mannshohen Papageienkäfig. Das riesige Gestell kippte wie in Zeitlupe und krachte mit einem
hässlichen Scheppern auf den Boden. Käfigstäbe lösten sich, Sonnenblumenkerne

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