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Jhereg

Jhereg

Titel: Jhereg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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meinen Vertrauten, als ich das Fenster öffnete, »finde Daymar.«
    »Wie Eure Majestät wünschen«, antwortete er.
    »Und den Sarkasmus kannst du dir sparen.«
    Ein telepathisches Kichern fühlt sich ziemlich merkwürdig an. Loiosh flog durch das Fenster nach draußen.
    Ich setzte mich wieder hin und starrte eine Zeitlang dumpf in die Gegend. Wie oft hatte ich mich schon in einer solchen Lage befunden? Ganz am Anfang eines Auftrags, ohne eine Vorstellung, wie er verlaufen würde und auf welche Weise. Eigentlich ohne alles, außer einer Idee, wie es aufhören würde; nämlich, wie immer, mit einer Leiche. Wie oft? Das ist natürlich nicht wirklich eine rhetorische Frage. Dies wäre mein zweiundvierzigster Auftragsmord. Mein erster Gedanke war, daß dieser sich in gewissem Maße von den anderen unterscheiden würde, auf einer bestimmten Ebene, irgendwie. Ich kann mich an jeden einzelnen noch genau erinnern. Wegen der Vorbereitungen, die ich bei jedem Auftrag treffe, kann ich keinen vergessen – so gründlich muß ich vorgehen. Wenn ich zu Albträumen neigte, wäre das mit Sicherheit ein Problem.
    Der vierte? Das war der Kleinkrämer, der nach dem Essen immer einen gediegenen Likör bestellte und anstelle eines Trinkgelds die halbe Flasche zurückließ. Der zwölfte war ein Kleinkrimineller, der sein Geld immer in großen Scheinen mit sich herumtrug. Nummer neunzehn war ein Zauberer, der immer ein Tuch bei sich hatte, mit dem er ständig seinen Zauberstab polierte. Jeder einzelne hatte irgendwie etwas Besonderes. Manchmal kann ich es benutzen, meistens jedoch bleibt es mir nur als etwas Ungewöhnliches im Gedächtnis. Wenn man jemanden gut genug kennt, wird er ein Individuum, völlig egal wie sehr man sich anstrengt, ihn nur als ein Gesicht zu betrachten – oder eine Leiche.
    Aber einen Schritt vorher sind es wieder die Ähnlichkeiten, die von Interesse sind. Denn wenn ich sie als Namen kennenlerne, die bei einem ruhigen Mahl in einer Unterhaltung fallen, während gleichzeitig ein Umschlag mit fünfzehnhundert bis viertausend goldenen Imperials den Besitzer wechselt, dann sind sie alle gleich, und ich behandele sie auch so: ich bereite den Job vor und erledige ihn dann.
    Für gewöhnlich habe ich immer rückwärts gearbeitet: nachdem ich alles über seine Gewohnheiten herausgefunden hatte, ihn verfolgt und aufgespürt und tagelang, manchmal wochenlang studiert hatte, entschied ich, wann ich es geschehen lassen wollte. Damit meine ich normalerweise die Uhrzeit und oftmals auch den Tag. Dann kam es darauf an, von diesem Zeitpunkt anzufangen und alles so vorzubereiten, daß alle Faktoren genau an Ort und Stelle zusammentrafen. Die Exekution an sich war nur dann von Bedeutung, wenn ich zuvor irgendwo einen Fehler gemacht hatte.
    Einmal, als ich in besonders sanftmütiger Stimmung war, hatte Kragar mich gefragt, ob es mir Spaß macht, Leute zu töten. Ich hab ihm nicht geantwortet, weil ich es nicht wußte, aber die Frage hat mich nachdenklich gemacht. Ich bin mir noch immer nicht sicher. Die Planung des Auftrags macht mir auf jeden Fall Spaß, und auch, die Dinge so in Bewegung zu setzen, daß alles klappt. Aber das Töten an sich? Ich nehme an, daß ich es weder bewußt gerne mache, noch daß es mir keinen Spaß macht; ich erledige es einfach.
    Ich lehnte mich zurück und schloß die Augen. Der Anfang eines Auftrags ist wie der Anfang eines Hexenspruchs. Das Allerwichtigste ist meine Stimmung, wenn ich loslege. Ich möchte völlig sichergehen, daß ich keinerlei Voreingenommenheit in bezug auf das Wie, das Wo oder sonst etwas habe. Das kommt später. Noch hatte ich den Kerl ja nicht einmal unter die Lupe genommen, also konnte ich mich auch nicht mit ihm beschäftigen. Das bißchen, was ich wußte, kreiste in meinem Unterbewußtsein, hängte sich hier und da an Assoziationen, erzeugte Bilder und Ideen und zerschlug sie gleich darauf wieder. Manchmal bekomme ich beim Planen eine plötzliche Inspiration, oder so etwas wie einen plötzlichen Geistesblitz. In solchen Augenblicken halte ich mich gerne für einen Künstler.
     
     
    Langsam erwachte ich aus meinen Tagträumereien und hatte das Gefühl, daß ich mir über etwas Bestimmtes Gedanken machen sollte. Noch war ich nicht richtig wach, deshalb brauchte ich ein bißchen länger, bis mir aufging, worum es sich handelte. In meinem Hirn flatterte ein einzelner Gedanke wie ein Fragezeichen herum.
    Nach einer Weile wurde mir klar, daß er von außerhalb kam. Ich ließ ihn

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