Jhereg
er bereit war, aber ich tat es nicht. So war es besser.
Aliera war tief konzentriert, und ich sah, wie ein sanftes grünes Glühen von Wegfinder ausging. Ich verabscheue so etwas – dasitzen zu müssen, zu Taten bereit, aber erst warten zu müssen, bis jemand anders fertig war. Ich beobachtete Wegfinder. Die ganze schwarze harte Waffe schimmerte grünlich. Sie war sowohl kürzer als auch schwerer als die Degen, die ich bevorzuge, aber in Alieras Händen war er leicht und gewandt. Und es handelte sich zudem um eine Große Waffe.
Was eine Große Waffe ist? Gute Frage. Das gleiche habe ich mich auch gefragt, während ich Aliera dabei zusah, wie sie sich mit zusammengekniffenen Augen, die pochende Klinge sicher in der Hand, konzentrierte.
Meines Wissens gibt es jedenfalls folgendes: eine Morgantiwaffe, die von einer kleinen, seltsamen Rasse namens Serioli angefertigt wird, welche die Berge und Wälder von Dragaera bewohnt, ist in der Lage, die Seele der Person, die durch sie getötet wird, zu zerstören. Jede dieser Waffen ist merkwürdig und beängstigend und ausgestattet mit einer Art Empfindungskraft. Manche sind auch noch anderweitig verzaubert, und es gibt sie in unterschiedlichen Stärkegraden.
Einige jedoch – siebzehn, der Legende nach – gehen über »eine Art Empfindungskraft« hinaus. Dies sind die Großen Waffen. Sie sind allesamt mächtig. Allesamt haben sie genug Empfindungskraft, daß sie tatsächlich entscheiden können, ob die Seele des Opfers zerstört werden soll oder nicht. Jede hat eigene Fähigkeiten, Besonderheiten und Kräfte. Und jede, so heißt es, ist mit der Seele ihres Besitzers verbunden. Sie kann und wird alles Notwendige tun, damit ihr Besitzer beschützt wird, falls es sich dabei um den Auserwählten handelt. Und diese Waffen können Dinge tun …
Aliera zupfte mich am Kragen und nickte, als ich aufsah. Dann drehten sich meine Eingeweide, die Wände verschwanden, und mir war, wie immer, schlecht. Wir standen anscheinend in einem ungenutzten Lagerhaus. Aliera keuchte, und ich folgte ihrem Blick.
Morrolans Körper lag ein paar Meter von uns entfernt auf dem Boden. Auf seiner Brust war ein dunkler Fleck. Ich ging zu ihm, dabei fühlte ich mich so miserabel wie noch nie. Neben ihm fiel ich auf die Knie und sah, daß er nicht atmete.
Aliera steckte Wegfinder weg und kniete sich neben mich. Konzentriert, mit geschlossenen Augen, fuhr sie einmal mit ihren Händen über Morrolans Körper. Dann setzte sie sich auf und schüttelte den Kopf.
»Nicht wiederbelebbar?« fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. Ihre Augen waren kalt und grau. Trauer, falls es überhaupt dazu kam, würde es erst später geben.
»SEI VORSICHTIG IN DER NÄHE DEINER EIGENEN FALLEN«
»Können wir irgendwas tun, Aliera?«
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte sie. »Geduld.« Vorsichtig strich sie noch einmal mit den Händen über Morrolans Körper, während ich mich im Lagerhaus umsah. Mir war nichts aufgefallen, aber es gab einige Stellen, die ich nicht sehen konnte.
»Ich kann ihn nicht brechen«, sagte sie schließlich.
»Was brechen?«
»Den Spruch, der die Wiederbelebung verhindert.«
»Oh.«
»Aber der Zauberer, der ihn gesprochen hat, könnte das, wenn es schnell geht. Wir müssen ihn auf der Stelle finden.«
»Sie«, korrigierte ich automatisch.
Blitzschnell war sie aufgesprungen und starrte mich an. »Du weißt, wer das getan hat?«
»Nicht wirklich«, sagte ich. »Aber ich glaube, wir können getrost den Täterkreis auf die Linke Hand des Jhereg beschränken, und die meisten von denen sind weiblich.«
Das verwirrte sie. »Warum sollte der Jhereg Morrolan umbringen wollen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das erkläre ich später. Jetzt müssen wir diese Zauberin finden.«
»Irgendeine Idee, wie wir das anstellen können?«
»Wegfinder?«
»Weiß nicht, womit er arbeiten soll. Ich brauche ein psionisches Bild oder wenigstens ein Gesicht oder einen Namen. Ich hab den Raum schon untersucht, aber nichts finden können.«
»Das geht bei Jhereg normalerweise auch nicht. Wenn sie fähig ist, wird sie keine starken Gefühle für diesen Auftrag gebraucht haben.«
Sie nickte. Ich sah mich in der Halle um, in der Hoffnung, irgendeinen Hinweis zu entdecken. Aber Loiosh war schneller. Er flog in der Gegend herum und stieß schon bald auf etwas.
»Hier drüben, Boß.«
Aliera und ich rannten dorthin, dabei stolperten wir beinahe über einen weiteren Körper, der mit dem Gesicht nach unten
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