Jillian Hunter
nicht auf sie verlassen konnte, war alles, worauf
er hoffte, verloren. Er würde einen Weg finden müssen, sich
ihre Hilfe zu sichern, bis die Zeit kam, wo er seinen Mörder
entlarven konnte. Vielleicht würde er sie mit in sein Versteck
nehmen müssen, bis das hier durchgestanden war. Keines-
wegs eine angenehme Aussicht, für keinen von ihnen.
„Kann ich nicht irgendwie Ihre Freundschaft gewinnen?",
fragte er feierlich.
Sie bewahrte einen kühlen Kopf, diese blauäugige Bos-
castle mit ihrem schmetterlingsbestickten Negligé. „In mein
Zimmer einzubrechen, mich aufs Bett zu werfen und mich zu
erpressen ist kaum ein guter Anfang für eine Freundschaft."
„Betrachten Sie es als Hilfe von Nachbar zu Nachbar."
„Ich will, dass Sie mir sagen, was Sie über Brandon in Er-
fahrung gebracht haben."
Er zögerte. Wenn er ihr sagte, was er herausgefunden hatte,
könnte dies all seine Pläne gefährden. Es würde sie zugleich
in größere Gefahr bringen, als sie verdient hatte. „Noch nicht.
Überreden Sie mich nicht dazu, Dinge zu enthüllen, die meine
Chance, ihn zu rächen, zunichte machen könnten."
Sie nickte. Offensichtlich verstand sie ihn besser, als ihm
lieb sein konnte. „Sie haben genug gesagt. Ich weiß jetzt, dass
ich Ihnen helfen will."
„Sie können mir nur helfen, indem Sie tun, was ich von Ih-
nen verlange."
„Woher weiß ich, dass ich Ihnen vertrauen kann?"
„Ich weiß nicht, ob Sie es können", erwiderte er. Er beugte
seinen Kopf zu ihrem und betrachtete ihr Gesicht in der Dun-
kelheit. „Kein Wunder", murmelte er.
„Kein Wunder?", flüsterte sie, als ahnte sie, wohin seine Ge-
danken führten. „Kein Wunder, dass Ihr Lord das Risiko einging, Sie im Park
zu küssen. Ich habe den Tag nicht vergessen, an dem wir uns begegnet sind."
Wie als Antwort sah er ein Funkeln in ihren Augen. Eine weitere Einladung benötigte er nicht.
Mit seinen Lippen erforschte er den Rand ihrer Ohren, wäh- rend er ihre Taille mit den Armen umschloss. Er wartete auf eine Reaktion. Stattdessen erstarrte sie. Ihr weiblicher Duft ließ ihn beinah die Beherrschung verlieren. Vor einem Mo- nat hatte sein Leben eine grauenhafte Wende genommen. Je- mand, der ihm nahestand, hatte ihn verraten und damit seine Fähigkeit, anderen zu vertrauen, zerstört. Und nun sah er ei- ner Affäre mit der Schwester eines Mannes ins Auge, den er respektierte, mit einer jungen Dame, die eindeutig eine Her- zensbrecherin war.
Gott behüte, dass er sie in ihrem gefährlichen Kurs noch be- stärkte! Aber wie konnte es sonst enden? Chloe weckte in ihm den letzten Rest Hoffnung, wenn nicht sogar Unschuld, und ihre Vitalität und ihr Idealismus waren Eigenschaften, die er einst vielleicht mit ihr geteilt hatte. Auf ihren Lippen meinte er die wirklich wichtigen Dinge des Lebens zu schmecken, Dinge, die er für immer verloren hatte. Glaubte sie an die Lie- be? An ein glückliches Ende? Wie viele gestohlene Küsse und süße, in der Dunkelheit geflüsterte Lügen, wie viele mitter- nächtliche Stelldicheins waren nötig, um ihr ihre Illusionen zu rauben?
Es war nicht an ihm, ihre Träume zu zerstören. Und er hat- te auch kein Verlangen danach. Vielleicht würde sich heraus- stellen, dass sie mehr Glück hatte als er. Vielleicht würde das sprichwörtliche Glück ihrer Familie sie schützen.
„Sie küssen mich ja schon wieder", flüsterte sie.
„Ja. Ich kann nicht anders." Er spürte, wie ein Schauer sie durchfuhr.
„Ich dachte, Sie würden mich töten."
„Es sieht nicht danach aus, oder?", murmelte er, dicht an ihren Lippen.
„Ich wusste, dass Sie mir nicht wehtun würden ... könn- ten."
„Ich wünschte, es würde mir gelingen, ebenso gut über mich zu denken."
Sie drückte die Hände gegen seine Brust. Zwar wehrte sie sich nicht, aber sie gab ihm auch nicht nach. Er empfand ei- ne schockierende Mischung aus Vergnügen und Schmerz - in diesem Moment begehrte er sie mehr als alles andere. Ihre Wärme, der leichte Seifenduft ihrer Haut. Ihn verlangte es geradezu schmerzlich danach, ihre Essenz in sich aufzusau- gen. Sie war wie ein Balsam, ein Zufluchtsort, weit mehr als eine rein erotische Verlockung. Chloe bot ihm sanften Trost in einer Welt voller Dunkelheit und Verrat und erinnerte ihn daran, wie sein Leben einst gewesen war. Das Leben, das er wieder zurückwollte.
Er vertiefte den Kuss und raubte ihr jede Möglichkeit, sich zu wehren - oder auch nur zu atmen. Dies war eindeutig nicht ihr erster
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