Jillian Hunter
Decke an, bis die Dunkelheit der Nacht der Morgendämmerung wich. Was würde geschehen, wenn sie sich weigerte, ihm zu helfen? Nicht nur ihr, sondern ihm? Das Grübeln über die verschiede- nen Möglichkeiten, die allesamt beängstigend waren, hielt sie wach. Obwohl sie sich über sein Verhalten ihr gegenüber är- gerte, konnte sie einem Aristokraten, der so gelitten hatte wie er, nicht die kalte Schulter zeigen. Selbst wenn er sich selbst hineingeritten hatte.
Vor nicht allzu langer Zeit war er noch ein respektabler Ver- treter der Spezies Mensch gewesen. Ihre Brüder hatten ihn gemocht. Er hatte sie aus einer schlammigen Pfütze befreit, und auch wenn er sich an jenem Nachmittag nicht wie ein ech- ter Gentleman verhalten hatte, war sein Benehmen doch auch ganz sicher nicht das eines verzweifelten Mannes gewesen, der eine Frau mit vorgehaltener Waffe auf ein Bett werfen würde.
Sie setzte sich in eben diesem Bett auf. Kein Wunder, dass sie nicht einschlafen konnte. Er hatte auch nicht geschlafen. Das wusste sie, nachdem sie mindestens ein Dutzend Mal bei ihm hereingeschaut hatte. Jedes Mal hatte sie gehofft, er wäre verschwunden und hätte sie so davor bewahrt, weitere Entscheidungen treffen zu müssen. Der Anblick der großen, männlichen Gestalt, die auf ihrer Unterwäsche ausgebreitet dalag, verursachte jedes Mal schlagartig ein gewaltiges Flat- tern in ihrer Magengegend.
Ein Teil von ihr wollte nach unten rennen wie ein sittsames junges Fräulein, solange sie es konnte. Ein stärkerer Teil, der Teil von ihr, der sie immer wieder in Schwierigkeiten brachte, wollte ihn schützen.
Bis er die Augen öffnete. Sein Blick schien das Dunkel zu durchdringen. Was Chloe dabei fühlte, war weder leicht ein- zuordnen noch leicht zu beherrschen. Irgendetwas an der Art, wie er sie ansah, entfachte in ihrem Inneren ein Feuer, das sie zu verbrennen drohte.
Nun ging sie erneut zum Ankleidezimmer und öffnete leise die Tür. Sie bereitete sich auf das Schlimmste vor.
„Chloe." Er signalisierte ihr mit einer Handbewegung, nä- her zu kommen.
Sie zögerte. Dieser Aufforderung zu folgen erschien ihr un- gefähr so sicher, wie an die Seite eines verwundeten Wolfes zu treten. Sie wollte nicht seine letzte Mahlzeit werden.
„Was ist?", flüsterte sie und starrte seine nackte Brust an. Irgendwann in dieser Nacht hätte er sein Hemd ausgezogen und die Decke abgeworfen, die sie über ihn gelegt hatte.
Die rechte Seite seines Oberkörpers sah aus wie das Abbild des vollkommenen Mannes, sehnig, glatt und muskulös. Die linke Seite hingegen war von entzündeten Wunden und kaum vernarbtem Gewebe entstellt. Wie konnte ein Mensch einem anderen so etwas antun? Hatte er selbst irgendetwas Schreck- liches getan, um das zu verdienen?
Er runzelte die Stirn. „Wie spät ist es?"
„Beinahe fünf. Wenn Sie hoffen, ungesehen davonzukom- men, sollten Sie besser in den nächsten Minuten aufbrechen. Danny geht früh mit den Pferden hinaus, und ..."
Sie brach ab. Das leise Hufgeklapper von der Weide war auf dem schlafenden Anwesen gut zu hören. Bis zum Einbruch der Dunkelheit gab es für ihn also keine Möglichkeit mehr, ungesehen zu entkommen.
„Was soll ich jetzt mit Ihnen anstellen?", murmelte sie.
Er verzog den Mund zu einem grimmigen Lächeln, während er sich, an die Truhe gelehnt, versuchte aufzusetzen. Das Teles- kop lag auf seinem Schoß. „Sie können mir frisches Wasser zur Verfügung stellen. Wenn sich später am Tag die Gelegenheit er- gibt, können Sie mich rasieren und mir all die Dinge besorgen, die ich benötige. Ich habe eine Liste gemacht."
Sie blickte ihn entgeistert an. „Sie rasieren?"
„Ja, mich rasieren, richtig. Und damit meine ich nicht, dass Sie mir bei der ersten Gelegenheit die Kehle aufschlitzen.
Bitte schließen Sie Ihr Negligé."
„Mein..." Beschämt und gleichzeitig von seinem Blick erhitzt, blickte sie an sich hinunter. Als sie sah, wie viel Haut sie selbst zur Schau stellte, wäre sie am liebsten im Boden versunken. Ei- ne fast nackte Brust - der Rand einer rosigen Knospe! - war sichtbar. Dem hungrigen Funkeln seiner Augen nach zu schlie- ßen, musste sie dankbar sein, dass er außer Gefecht gesetzt war. Zumindest vermutete sie, dass es so war. Sie fühlte sich nicht mutig genug, um diese Theorie auf die Probe zu stellen.
„Nicht, dass es mir etwas ausmacht", fügte er leise hinzu. „Es ist eigentlich sehr angenehm für einen Mann, morgens als Erstes so etwas zu sehen."
„Ein Gentleman
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