Jim Knopf 02 - Jim Knopf und die Wilde 13
donnerte. So brach langsam der Abend herein.
Die dicke, alte Emma, die in geringer Entfernung von den dreien auf einem flach ins Wasser abfallenden Felsen stand, hatte die Unterhaltungen teilweise hören können. Sie war zwar von sehr langsamem und kleinem Verstand, aber sie begriff doch, was geschehen war. Heulen und Pfeifen konnte sie ja nicht, da sie nicht unter Dampf stand. Aber obwohl ihr Kessel leer war, hatte sie das Gefühl, er müsse jeden Augenblick zerspringen. Es war ein richtiger Lokomotivenmutterkummer.
Es dauerte lange, endlos lange, bis Lukas zurückkam. Jim schien es eine Ewigkeit. Sicher hing das auch damit zusammen, dass Uschaurischuum sich so schildkrötenlangsam bewegte. Aber schließlich ertönte doch Lukas' fröhliche Stimme hinter den drei Wartenden: »So, Leute, da wären wir wieder. Hat ein bisschen lang gedauert, aber jetzt ist alles in Ordnung. Nepomuk hat uns noch die Wendeltreppe herauf begleitet, ich habe ihm nämlich die Taschenlampe geschenkt, damit er vorläufig Licht hat. Er ist gleich wieder umgekehrt, um mit der Arbeit anzufangen. Es gefällt ihm prächtig in seinem neuen Heim. Ich habe ihm alles genau gezeigt und um Mitternacht wird er das Meerleuchten anstellen. Jetzt gräbt er einen Lava-Ziehbrunnen. Der Schildnöck wird auch gleich hier sein, er ist ein bisschen langsam.«
Lukas hielt inne und blickte verwundert von einem zum andern.
»Nanu«, brummte er, »was ist denn mit euch los? Und wo ist Molly?«
Und nun hielt es Jim nicht mehr aus. Bis jetzt hatte er sich tapfer beherrscht, aber nun stürzte er Lukas in die Arme und begann bitterlich zu schluchzen.
Lukas begriff sofort alles. »Molly ist weg«, sagte er, und Jim nickte nur.
»Verflixt und zugenäht«, knurrte Lukas, »das ist ja eine schöne Bescherung.«
Er legte seine Arme liebevoll um seinen kleinen Freund und fuhr ihm mit der Hand durch sein schwarzes Kraushaar.
»Junge«, sagte er, »alter Junge!« Er drückte ihn an sich und streichelte ihn, bis Jim sich wieder einigermaßen gefasst hatte.
»Hör mal zu, Jim«, fuhr Lukas endlich fort, »Molly kann nicht spurlos verschwinden. Irgendwo muss sie sein. Wir werden herauskriegen, wo, und werden sie wiederholen. Und wenn ich dir das sage, dann kannst du dich drauf verlassen. Das weißt du doch, alter Junge.«
»In Ordnung, Lukas«, stammelte Jim mit einem Versuch unter Tränen zu lächeln.
»Wir haben vermutet«, ließ sich nun Herr Tur Tur vernehmen, »dass die kleine Lokomotive sich losgerissen hat und ins Wasser gefallen ist.«
»Ja«, fügte die Seejungfrau hinzu, »ich habe schon versucht dort unten nachzusehen, aber es ist so dämmerdunkel auf dem Grund, dass man nichts erkennen kann. Wir müssten warten, bis das Meerleuchten wieder geht.«
»Aber Molly is' vielleicht in einer ganz schlimmen Lage!«, rief Jim. Lukas saugte an seiner Pfeife und dachte nach.
»Wir werden sofort tauchen«, erklärte er entschlossen, »und zwar mit Emma. Türen und Fenster sind sowieso wasserdicht, der Tenderdeckel schließt auch gut und wird noch durch den Wasserdruck angepresst. Mit Emmas Scheinwerfern können wir den Meeresgrund absuchen.«
Jim starrte Lukas mit großen Augen an.
»Ja, aber - aber Emma geht doch nicht unter«, stammelte er, »sie is' doch kalfatert!«
»Das käme auf einen Versuch an«, meinte Lukas und paffte nachdenklich. »Wir werden das Kesselventil und den Wasserhahn aufmachen. Wenn sich der Kessel mit Wasser füllt, dann müsste die Lokomotive eigentlich sinken. Los, Jim, wir wollen keine Zeit verlieren!«
»Aber wie können wir auf dem Meeresgrund denn fahren?«, fragte Jim aufgeregt. »Mit der Magnetanlage kann man doch nur von außen, auf dem Dach, steuern. Aber wir sind doch im Führerhäuschen drin und können nicht heraus.«
»Richtig!«, brummte Lukas und kratzte sich hinter dem Ohr. »Was machen wir da? Kleine Dame, können Sie die Magnetsteuerung nicht bedienen?« Sie gingen zu Emma hinüber und schoben sie ins Wasser. Die Seejungfrau versuchte den Steuermast zu bewegen, aber vergeblich. Sie war ja auch wirklich nur ein sehr kleines Wesen und nicht zu solchen Kraftproben geschaffen.
Endlich kam nun auch Uschaurischuum. Nachdem er erfahren hatte, was vorgefallen war, versuchte er das Magnetsteuer zu bedienen. An Kraft hätte es ihm nicht gemangelt, aber bei ihm ergab sich eine andere Schwierigkeit: Wegen seines Panzers konnte er die Hände nur seitwärts und nicht nach vorne strecken, und mit einer Hand allein konnte er den Mast
Weitere Kostenlose Bücher