Jim Knopf 02 - Jim Knopf und die Wilde 13
Molly! Nicht das allerkleinste Stückchen von ihr.
»Molly!«, rief Jim leise und seine Unterlippe begann zu zittern. Und dann rannte er aus der Höhle hinaus und schrie den Namen der kleinen Lokomotive, immer wieder, immer wieder, und er biss sich selbst in die Hand, um nicht einfach laut loszuweinen. Seine Gedanken drehten sich wie ein rasendes Karussell und er brauchte eine Weile, ehe er irgendeinen klaren Entschluss fassen konnte. »Lukas!«, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. »Ich muss sofort Lukas rufen.«
Keuchend vor Eile und Anstrengung kletterte er auf die höchste Zinne der Klippe hinauf und warf sich am Rand des Schachtes auf den Boden nieder. Tief, tief unten sah er den Lichtkegel von Lukas' Taschenlampe. Jim legte beide Hände vor den Mund und schrie, so laut er konnte:
»Lukas! Lukas! Komm rauf! Schnell! Molly is' weg! Bitte, Lukas!«
Aber keine Antwort kam von unten. Wahrscheinlich verschluckten das Sausen des Windes, der sich heulend in der Schachtöffnung fing, und das Donnern der aufgepeitschten Wogen, die gegen die Klippen brandeten, jeden anderen Ton.
»Ich muss ihm nach!«, dachte Jim und begann die Wendeltreppe hinunterzusteigen. Aber schon nach wenigen Metern musste er den Versuch wieder aufgeben, denn er hatte ja kein Licht bei sich, und in der Dunkelheit hätte der Abstieg über die glitschigen Stufen Stunden dauern können. Und bis dahin würde Lukas sowieso schon längst wieder nach oben gekommen sein. Es blieb also nichts anderes übrig, als zu warten. Und das war beinahe unerträglich, wie man sich vorstellen kann.
Jim kletterte noch einmal zu der Stelle hinunter, wo Molly gestanden hatte, und suchte die ganze Umgebung ab. Das Einzige, was er schließlich fand, war ein kleines, abgerissenes Endchen der perlenbestickten Walrossleine, mit der sie festgebunden gewesen war. Mit diesem jammervollen Andenken in der Hand kehrte er zu Emma, Herrn Tur Tur und der kleinen Seejungfrau zurück und ließ sich schweigend bei ihnen nieder. Sein Gesicht war trotz seiner schwarzen Hautfarbe ganz grau geworden.
»Darf ich fragen«, sagte Herr Tur Tur, »was Ihnen widerfahren ist? - Sollte etwa mit Ihrer kleinen Lokomotive ...?« Der Scheinriese sprach nicht zu Ende, denn Jim warf ihm einen so verstörten und trostlosen Blick zu, dass er seine Frage nicht mehr auszusprechen wagte. Auch die kleine Meerprinzessin schwieg bestürzt.
Jim starrte eine ganze Weile mit leeren Augen auf das Meer hinaus und biss sich auf die Unterlippe, damit sie nicht so zitterte. Dann sagte er stockend und tonlos:
»Ja - Molly - sie is' - ich weiß nicht - ich glaub, sie is' weg.«
Dann schwiegen alle drei wieder eine ganze Weile. Der Wind heulte und die Wellen brachen sich donnernd an den eisernen Felsen.
»Vielleicht hat sie jemand geraubt«, murmelte Jim schließlich.
Die kleine Seejungfrau schüttelte den Kopf.
»Hierher kommt nie jemand. Nicht mal Meerleute. Und die hätten es auch ganz bestimmt nicht getan.«
»Wir wollen einmal überlegen«, sagte der Scheinriese. »Könnte es denn nicht sein, dass sie sich losgerissen hat und ins Wasser gefallen und untergegangen ist?«
Jim blickte auf. Ein kleiner Hoffnungsschimmer trat in seine Augen.
»Vielleicht«, meinte er, »obwohl - sie war ganz fest angebunden. Und kalfatert war sie auch.«
»Ich werde sofort einmal nachsehen«, schlug die Meerprinzessin vor, »ich werde tauchen und um die ganze Klippe herumschwimmen.«
»Ach ja, bitte«, sagte Jim, und die Seejungfrau verschwand.
»Wie sehr fühle ich Ihren Schmerz mit Ihnen, lieber junger Freund«, versicherte Herr Tur Tur und dann begann er alle möglichen tröstlichen Beispiele zu erzählen, von Leuten, die etwas verloren hatten und es dann auf wunderbare Weise doch wiederbekamen. Es war gut gemeint, aber Jim hörte nur mit halbem Ohr zu. Endlich kam die kleine Meerprinzessin zurück.
»Hast du was gesehen?«, fragte Jim in angstvoller Spannung.
Die Seejungfrau schüttelte den Kopf.
»Die Magnetklippen fallen steil ab bis auf den Meeresgrund«, erwiderte sie, »und dort unten ist es so dämmerdunkel, dass nichts zu erkennen ist. "Wir müssen warten, bis das Meerleuchten wieder geht.«
»Aber dann klebt sie ja da unten fest!«, rief Jim unglücklich. »Dann kann man sie ja erst recht nicht mehr heraufholen!«
»Aber man könnte wenigstens sehen, wo sie ist«, gab die Meerprinzessin zurück, »und sie später heraufholen.«
Dann schwiegen wieder alle, nur der Wind sauste und die Brandung
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