Jim Knopf 02 - Jim Knopf und die Wilde 13
Lukas hatte eine schwere Eisenstange ergriffen und bahnte sich damit einen Weg.
Jim hielt sich immer dichter hinter ihm. Bald hatten sie die kleine Lokomotive erreicht. Lukas entwand einem der Piraten seinen Säbel, packte den Kerl und warf ihn blitzschnell die Treppe ins Unterdeck des Piratenschiffes hinunter. Dann hieb er mit wenigen mächtigen Schlägen die Taue durch, mit denen Molly angebunden war, und schob mit Jim gemeinsam die kleine Lokomotive einfach durch die zersplitterte Reling hindurch auf das kaiserliche Schiff hinüber, das immer noch Bordwand an Bordwand mit dem Piratenschiff lag.
Als die Seeräuber das sahen, schleuderten sie brennende Pechfackeln auf das Verdeck des kaiserlichen Schiffes herüber. Die meisten erloschen zwar im Wasser, aber einige fielen doch in den Vorratsraum hinunter, wo vorher Li Si gesessen hatte. Und bald quoll dicker Rauch über das Deck.
Eigentlich waren die Matrosen ja in der Überzahl gewesen, aber inzwischen waren schon mehrere von ihnen über Bord gespült oder von den Piraten ins Wasser gestoßen worden. Und selbst wenn sie zehnmal mehr gewesen wären, so hätte es nichts genützt. Mit diesen bärenstarken, riesigen Kerlen, die überhaupt keine Furcht zu kennen schienen, wären sie nicht fertig geworden.
Immer kleiner wurde das Häuflein derer, die verzweifelt kämpften. Einer nach dem andern wurde gefesselt und auf das Piratenschiff hinübergeschleift.
Als der Taifun begonnen hatte, war Ping Pong doch endlich aus seinem Schlaf aufgewacht. Natürlich konnte er nicht helfen, er musste sich damit abfinden, tatenlos diese ganze schreckliche Niederlage mit anzusehen. Der Letzte, den er noch kämpfen sah wie einen Löwen, war Lukas. Aber als sich schließlich sieben der riesigen Burschen auf ihn warfen, da musste auch er aufgeben. Er wurde gefesselt und auf das Piratenschiff geschleppt, wo sie ihn durch eine Falltür in einen stockdunklen Raum hinunterwarfen.
Und wo war Jim?
Er hatte sich unbemerkt auf den letzten, noch aufrecht stehenden Mast des Staatsschiffes retten können. Aber nun leckte von unten das Feuer empor und erfasste die Fetzen der Segel. Der Qualm verbarg den Jungen zwar, aber zugleich erstickte er ihn fast. Die Flammen kamen näher und näher. Jim blieb keine Wahl: Als die beiden Schiffe sich einander zuneigten, warf er sich mit einem todesmutigen Sprung in die Takelage des Seeräuberschiffes hinüber. Dort oben blieb er zwischen den blutroten Segeln hängen und klammerte sich fest. Er konnte beobachten, wie die Piraten das kaiserliche Schiff von oben bis unten durchsuchten, wie sie Li Si brachten und auf ihr Schiff zu den übrigen Gefangenen hinunterstießen und dann alles, was sie an Waffen, Munition und wertvollen Sachen fanden, zu sich herüberschafften.
Sobald sie damit fertig waren, legten sie eine Pulverladung in das Innere des Wracks, zündeten eine lange Lunte an, sprangen auf ihr Schiff zurück und fuhren rasch davon. Als sie hundert Meter entfernt waren, gab es auf dem verlassenen Staatsschiff einen gewaltigen Knall, dann brach es in der Mitte auseinander und beide Teile versanken in der Tiefe. Einen kurzen Augenblick noch sah Jim den Kessel der kleinen Lokomotive glänzen, dann war auch sie in den Wellen verschwunden.
»Molly!«, schluchzte Jim leise und zwei dicke Tränen liefen ihm über seine schwarzen Wangen. »Ach, Molly.«
Auf dem Wasser schwammen nur noch einige Balken und Planken und etwas weiter entfernt trieb ein kleiner Holzbottich dahin, über den ein geblümtes Sonnenschirmchen gespannt war. Dass darin Ping Pong saß, konnte Jim nicht ahnen.
DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL
in dem das Schiff mit den blutroten Segeln im »Land, das nicht sein darf« ankommt
Lukas erwachte aus seiner Betäubung. Um ihn her war es stockdunkel, aber er hörte jemanden neben sich atmen.
»Hallo«, flüsterte er, »ist da wer?«
»Sind Sie es, Herr Lokomotivführer?«, antwortete die Stimme des Kapitäns ebenso leise. »Gut, dass Sie noch am Leben sind. Wir fürchteten schon, Sie wären tot.«
»Ah, Kapitän, Sie sind es«, raunte Lukas. »Wer ist noch alles da?« »Außer mir sind noch elf meiner Leute hier«, gab der Kapitän zurück. »Wir sind alle gefesselt. Und unsere kleine Prinzessin liegt neben mir. Sie ist wohlauf, soweit man das sagen kann.«
»Was war das eben für ein Knall?«, erkundigte sich Li Si angstvoll. Und der Kapitän meinte: »Wahrscheinlich haben die Piraten unser Schiff in die Luft gesprengt.«
»Und
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