Jim Knopf 02 - Jim Knopf und die Wilde 13
lagen Vorräte aller Art, Waffen, Segeltuchballen und Taurollen aufgestapelt. Je tiefer der Junge eindrang, desto leiser und ferner erklang der brausende Orgelton des Wirbelsturms von draußen. Und endlich war es ganz still. Jim hörte nur noch seine eigenen, leise tappenden Schritte und das Klopfen seines Herzens. Nach einer Weile vernahm er noch etwas: »Ho, ho, ho, und ein Fass voller Rum ...«, scholl es gedämpft aus der Tiefe und dann folgte grölendes Gelächter. Noch vorsichtiger schlich Jim weiter. Er musste den Piraten jetzt schon ganz nahe sein.
Nun konnte er bereits deutlich einzelne Stimmen unterscheiden. Noch einmal machte der Gang eine scharfe Biegung und als der Junge um die Ecke spähte, erblickte er vor sich einen Saal, in dessen Mitte ein großes Feuer prasselte. Drum herum saßen und lagen die Piraten auf Eisbärfellen. Offenbar waren sie gerade beim Abendessen, denn über den Flammen steckte auf einem großen Bratspieß ein ganzes Schwein, von dem jeder sich mit seinem Dolch heruntersäbelte, so viel er wollte. Ihr Schmatzen war bis zu Jim herüber zu hören. Die abgenagten Knochen warfen sie einfach hinter sich auf den Boden. Außerdem hatte jeder einen großen Humpen, den er aus seinem Branntweinfass nachfüllte, wenn er leer getrunken war.
Jim fühlte, wie ihm beim Duft und Anblick des knusprigen Schweinebratens ganz schwach wurde. Sein Magen war schrecklich leer. Aber jetzt war natürlich nicht der richtige Moment, um ans Essen zu denken. Ganz langsam und geräuschlos ließ er sich auf den Boden nieder und kroch um die Ecke und in den Saal, immer darauf bedacht, gegen die Blicke der Seeräuber gedeckt zu sein. Aber die achteten im Augenblick sowieso auf nichts als auf ihren Schweinebraten. So gelang es dem Jungen, unbemerkt in eine Taurolle hineinzuschlüpfen. Es war ein gutes Versteck, denn von hier aus war alles zu hören, was die Piraten sprachen. Und wenn er die Finger zwischen die Taue steckte, konnte er den ganzen Raum überblicken. Vielleicht konnte er herausbekommen, wo die Gefangenen geblieben waren.
VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL
in dem Jim den Stern im »Auge des Sturms« erblickt
Die völlige Ähnlichkeit der Kerle war wirklich erstaunlich! Jeder hatte den gleichen sonderbaren Hut auf dem Kopf, auf den ein Totenschädel mit zwei gekreuzten Knochen gemalt war. Alle trugen die gleichen bunten Jacken, dazu Pluderhosen und hohe Stulpenstiefel. In ihren Gürteln steckten Dolche, Messer und Pistolen. Auch ihre Statur und ihre Gesichtszüge waren gleich. Unter ihren großen Hakennasen hingen dicke schwarze Schnurrbärte bis auf die Gürtel herab. Ihre Augen waren klein und standen so eng beieinander, dass man glauben konnte, sie schielten beständig. Die Zähne in ihren Mündern waren groß und gelb wie die von Pferden, und in den Ohren trugen sie schwere Goldringe. Auch ihre Stimmen waren gleich rau und tief. Mit einem Wort, es war unmöglich, einen vom anderen zu unterscheiden.
Als die Seeräuber mit dem Essen fertig waren, füllten alle ihre Humpen aufs Neue und nach kurzer Zeit fingen sie an, lustig zu werden, soweit man bei diesen finsteren Gestalten überhaupt von Lustigkeit reden konnte.
»Brüder!«, rief einer und schwang seinen Krug. »Wenn ich mir vorstelle, dass dieses Fass vielleicht das letzte mit der guten Marke Drachengurgel ist, - Hölle, Pech und Hagelschlag! - dann wird mir ganz wind und weh!«
»Blödsinn«, sagte ein anderer, »wir besorgen uns schon wieder Schnaps, der mindestens genauso stark ist! Trinkt aus, Brüder!«
Alle schütteten den Inhalt ihrer Humpen auf einen Zug hinunter, dann begannen sie mit grölenden Stimmen ihr Lied zu singen:
»Dreizehn Mann saßen auf einem Sarg,
ho, ho, ho, und ein Fass voller Rum!
Sie soffen drei Tage, der Schnaps war stark,
ho, ho, ho, und ein Fass voller Rum!
Sie liebten den Sturm und den Schnaps und das Gold,
ho, ho, ho, und ein Fass voller Rum!
Bis einst alle dreizehn der Teufel holt,
ho, ho, ho, und ein Fass voller Rum!«
Manchmal sangen alle zusammen, manchmal jeder für sich allein, wie es ihnen gerade einfiel. Dabei versuchten sie sich gegenseitig zu überbrüllen und dann brachen sie wieder in johlendes Gelächter aus. Es war ein Höllenkonzert.
»Ruhe!«, donnerte jetzt einer. »Ich will was sagen!«
»Ruhe!«, riefen jetzt einige andere. »Der Hauptmann hält eine Rede!« Der Kerl erhob sich und stellte sich breitbeinig vor die anderen hin. Das also war der Hauptmann. Jim
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