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Jim Knopf und die Wilde 13

Jim Knopf und die Wilde 13

Titel: Jim Knopf und die Wilde 13 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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Als sie schon eine ganze Weile schweigend abgestiegen
waren, sagte Lukas: „Jetzt müssen wir schon tief unter dem Meeresspiegel sein.“
    Diese Bemerkung hätte er allerdings
besser bleiben lassen, denn bei dieser Vorstellung überfiel Jim plötzlich eine
ganz sonderbare Übelkeit. Einen Augenblick lang wollte er die Treppe wieder
hinaufrennen, nur fort von hier, nach oben, an die Luft; aber er biß die Zähne
zusammen und blieb. Er setzte sich einfach auf die Stufe nieder, auf der er
gerade war, und drückte sich gegen die Wand des Schachtes. „Hallo!“ hörte er
plötzlich Lukas weiter unten sagen. „Scheint fast, wir sind auf dem Grund.“
    Jim raffte sich auf und folgte seinem
Freund, der auf dem Boden des Schachtes stand und mit seiner Kerze ringsum die
Wände ableuchtete. Als er eine Öffnung entdeckte, die in einen waagrechten Gang
führte, zündete er sich an der Kerzenflamme seine Pfeife an, die ihm
ausgegangen war, paffte ein paar herzhafte Züge und sagte: „Komm, Jim!“
    Sie betraten den Stollen und folgten
eine Weile seinen Kurven und Windungen. Die Hitze war inzwischen beträchtlich
geworden. „Ich möcht’ wissen“, meinte Jim, „warum es hier so warm is\“
    „Das ist immer so, wenn man unter die
Erdoberfläche geht“, erklärte Lukas, „je tiefer man kommt, desto heißer wird
es, weil man sich dem feurigen Erdinnern nähert.“
    „Aha“, murmelte Jim, „dann sind wir
also jetzt sogar schon unter dem Meeresboden?“
    „Scheint so“, war alles, was Lukas zur
Antwort gab.
    Schweigend gingen sie weiter und
schützten die Flammen ihrer Kerzen mit vorgehaltenen Händen.
    Plötzlich war der Gang zu Ende, und die
beiden Freunde traten durch eine Pforte ins Freie hinaus. Jedenfalls kam es
ihnen im ersten Augenblick so vor, aber dann erkannten sie beim schwachen
Schein ihrer Lichter, daß sie sich in einer riesenhaften Tropfsteinhöhle
befanden. Die schimmernden Säulen und Wände verloren sich nach allen Richtungen
in der Dunkelheit. Im Hintergrund ragte ein gewaltiger Eisenturm auf. Nach oben
verschwand er in der gewölbten Decke der Höhle, nach unten zu wurde er breiter
und verzweigte sich, ähnlich wie Baumwurzeln, in unzählige gekrümmte Adern und
Stränge, mit denen er sich in der Tiefe des Felsengrundes festkrallte.
    Eine Weile standen die beiden Freunde
starr vor Staunen und bückten umher.
    „Das dort drüben“, sagte Lukas
gedämpft, „ist der Fuß der anderen Klippe.“
    Sie schauten sich um und wurden gewahr,
daß sie aus der Wurzel eines ebenso gewaltigen Eisenturmes herausgetreten
waren. Eine lange Eisenader erstreckte sich bis in die Mitte des Felsensaales.
Vom anderen Turm kam ihr ein ebensolcher Wurzelausläufer entgegen.
    Als Jim und Lukas in der Mitte
angekommen waren, stellten sie fest, daß die beiden Enden einander nicht
berührten. Sie hörten plötzlich auf, beinahe so, als seien sie abgeschnitten
worden. Zwischen ihnen wies der weiße Felsenboden eine Kuhle auf, nicht ganz so
groß wie eine Badewanne.
    „Sieht ja fast so aus“, meinte Lukas
nachdenklich, „als ob hier irgendwas dazwischen gehört, das jemand
herausgenommen hat.“ Er hielt seine Kerze nahe an die Schnittflächen der Wurzelenden
und entdeckte auf beiden Seiten wiederum einige Schriftzeichen. Auch sie waren
kaum noch zu entziffern. Außerdem handelte es sich diesmal um eine sehr, sehr
alte Art von Buchstaben, sogenannte Hieroglyphen. Lukas brauchte eine ganze
Weile, ehe er da und dort einzelne Lettern erkennen konnte. Schließlich
schüttelte er den Kopf, gab Jim seine Kerze zu halten, zog ein Notizbuch und
einen Bleistift aus der Tasche und schrieb die wenigen noch lesbaren Buchstaben
auf, um einen Überblick zu gewinnen. Jim sah ihm schweigend und ehrfürchtig
dabei zu.
    Mehr als einmal hatte Lukas seine
Pfeife zu Ende geraucht und wieder neu gestopft, bis endlich folgendes Ergebnis
in dem Notizbuch stand:

    Als Lukas diese sonderbaren Laute
vorgelesen hatte, machte Jim ein ziemlich enttäuschtes Gesicht.
    „Ich glaub’, das is’ gar keine
Schrift“, meinte er, „vielleicht sind es bloß ganz gewöhnliche Kratzer.“
    Lukas schüttelte den Kopf. „Nein, mein
Junge, Kratzer sind das nicht. Ich möchte wetten, daß es sich da sogar um so
eine Art Gebrauchsanweisung handelt.“
    „Ja, aber was soll denn das heißen?“
fragte Jim ratlos.
    „Zum Beispiel könnte dieses Wort am
Ende der ersten Zeile vielleicht WEISHEIT bedeuten und das Wort davor hat
vielleicht GEHEIMNISVOLLE geheißen.

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