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Joanna Bourne

Joanna Bourne

Titel: Joanna Bourne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geliebte des Meisterspions
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zur Vagabundin wirst, in dem du die Straße betrittst – verschmutzt, zerzaust und Grashalme kauend? Ich habe beobachtet, wie du mit jedem zurückgelegten Schritt dreckiger und dein Ruf fragwürdiger wurde. Du hast eine erstaunliche Fähigkeit zur Tarnung.«
    Sie schluckte. »Wenn man ein Vagabund ist, muss man natürlich auch so aussehen, handeln und riechen wie einer. Das habe ich gelernt, noch bevor ich sprechen konnte.«
    »Jetzt bist du keine Vagabundin mehr, und deine Haare brauchen eine Wäsche.« Er schob mit den Daumen die Manschettenknöpfe heraus und legte sie auf der Jacke ab. Dann nahm er sich die Knöpfe an seinem Hemd vor und arbeitete sich vom Kragen abwärts.
    Er würde sie gleich hier lieben. Ob er sie zum Feuer tragen und auf dem Teppich vor dem Spiegel ablegen würde? Dann sähe sie ihn zweimal – in Wirklichkeit und im Spiegel. Würde sie das Gefühl haben, mit zwei Männern gleichzeitig zu schlafen, mit Grey und Robert? Die ganze Situation machte sie sehr nervös. Sie entschloss sich, möglichst lange in der Wanne zu bleiben und nachzudenken.
    Er zupfte sein Hemd aus dem Hosenbund und zog es über den Kopf. Zum ersten Mal erblickte sie seinen Oberkörper nackt.
    Er hatte den Körper eines Soldaten. Die feine, weiße Linie über seinen Rippen stammte von einem Säbelhieb, die vier oder fünf vernarbten Punkte von Granatsplittern. Er hatte noch mehr Narben. Man hatte immer wieder versucht, ihn umzubringen, doch waren alle gescheitert, weil Grey ein zäher Hund und außerdem raffinierter war als alle anderen.
    Mit einem Ruck zog er einen Stiefel aus und schleuderte ihn quer durchs Zimmer, sodass er dumpf auf die Steine vor dem Kamin prallte. Das Gleiche machte er mit dem anderen. Dann stand er auf und streckte sich, was Hunderte von Muskeln unter seiner Haut tanzen ließ. Er war wunderschön. Sie wollte seinen gesamten Körper mit ihrem Mund und der empfindlichen Gesichtshaut erkunden. Es war nicht fair von ihm, so etwas mit ihr zu machen.
    Er schlenderte auf sie zu. Sie hätte schwören können, und es wäre die reine Wahrheit gewesen, dass seine Augen wie Kohlen glühten.
    Sie zog sich noch weiter ins Wasser zurück, was keine besonders geeignete Substanz zum Verstecken war. Als er sich an die Wanne lehnte, kam seine Brust so nahe, dass sie ihn mühelos mit den Lippen hätte berühren können. Er schöpfte mit beiden Händen Wasser. Silbern glänzende Tropfen rannen ihm durch die Finger.
    »Ich empfehle dir, die Augen zu schließen«, riet er.
    Sie hatte noch nicht ganz verstanden, was er meinte, da ergoss sich ein Schwall Wasser über sie.
    »Im Annehmen von Ratschlägen bist du nicht besonders gut, oder?«, stellte er fest.
    »Das sagt man mir nach.« Sie spuckte Wasser aus und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.
    Diesmal war sie vorbereitet, als er die Hände wieder eintauchte. Das Wasser strömte ihr immer und immer wieder in Sturzbächen übers Gesicht, bis sie völlig durchnässt war. Sie wartete triefend ab, während er in seinen Händen Schaum aus einer nach Lorbeerblatt riechenden Seife erzeugte. So roch Robert, nicht Grey. Sie würde nach Robert riechen, wenn er sich mit ihr vereinigte.
    Wenn sie sich liebten … »Das brauchst du nicht zu machen. Ich wasche mir schon seit etlichen Jahren selber die Haare.«
    »Dann ist es ja mal was anderes. Lass die Augen zu, wenn ich die Seife einreibe. Ich bin etwas aus der Übung.«
    Sie weigerte sich zwar nicht, saß aber wie ein Trottel da, als er ihr Haar zügig und gründlich einseifte. Es war zwecklos, mit ihm zu streiten. Sie wusste ja, dass er überhaupt kein Erbarmen kannte.
    »Halt die Luft an«, befahl er.
    Diesmal war sie klüger. Sie holte tief Luft und wurde sogleich unter Wasser gedrückt.
    » Espèce de chien . Du ertränkst mich ja.« Sie schüttelte wild den Kopf und verteilte damit das Wasser überall. Auch auf ihm. »Du hättest mich nur fragen müssen, und ich wäre … «
    Seine Finger schoben sich in ihr Haar, damit sie aufhörte zu reden. Der erste Kuss war wild und feurig, um sie zum Schweigen zu bringen. Dann bedeckte er ihre Lippen mit vielen weiteren zarten Küssen … bis sie seinem Drängen nachgab und sie erwiderte. Das war die einzig sichere Art und Weise, mit einem so unendlich erbarmungslosen Mann umzugehen.
    »Ich sehne mich so verflucht stark nach dir«, flüsterte er in ihren Mund. »Es hat nicht ein Mal aufgehört, nicht mal für eine Minute, seit ich dich zum ersten Mal in Leblancs Keller sah.

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