Joanna Bourne
alte Mann gab einen Unmutslaut von sich. »Man kann einfach kein vernünftiges Gespräch mit Euch führen. Robert, bring sie nach oben. Wir werden die Unterhaltung fortsetzen, wenn Ihr Euch beruhigt habt. Morgen – «
Sie wagte es, ihn zu unterbrechen. »Monsieur, für so eine Unterhaltung werde ich niemals die nötige Ruhe haben.«
»Dann trinkt, um des gesunden Verstandes willen, etwas Kaffee – Giles, gib ihr bitte eine Tasse – oder steht auf und schreit los oder boxt Grey in den Magen oder tut, was auch immer notwendig ist, damit Ihr Eure Haltung wiedererlangt. Mich entsetzt die Vorstellung, eine Frau Eures Formats in einer derartigen Verfassung zu erleben.«
Sie kannte mit ziemlicher Sicherheit das, was in der nächsten Stunde auf sie zukommen würde. »Ich werde den Kaffee nicht anrühren. Auch nichts anderes. Lasst uns stattdessen reden.« Sie stellte das Weinglas demonstrativ weit von sich entfernt auf den Tisch.
Greys Hand bewegte sich sanft in ihren Nacken und schmiegte sich warm auf die Haut unter ihrem Haar. Das sollte sie beruhigen und ihr Mut zusprechen. Ihr kam der Gedanke, dass es nicht schwer sein konnte, eine einsame Frau in Angst davon zu überzeugen, dass sie verliebt wäre, wenn man ihr nur mit ein wenig Freundlichkeit begegnete.
»Ich würde Euch gerne Annique nennen, wenn ich darf«, sagte Galba.
Er wollte also auf Förmlichkeiten verzichten, wenn er sie in die Mangel nahm.
»Reiß dich zusammen und antworte Galba«, redete Grey ihr leise zu.
»Natürlich dürft Ihr mich Annique nennen.«
Galbas Lippen zuckten. »Ich werde es nicht ausnutzen. Annique, habt Ihr Eure Möglichkeiten gründlich durchdacht? Lasst mich noch einmal wiederholen, in welchem Dilemma Ihr steckt. An der Vordertür befinden sich die Handlanger verschiedener Nationen. Irgendwo, nicht weit von hier, heckt Jacques Leblanc einen Plan aus, wie er Euch beseitigen kann. Das erwartet Euch, solltet Ihr fliehen. Außerdem warten da noch Eure französischen Dienstherren auf Euch. Robert hat mir erzählt, dass Ihr nicht mehr für Fouché arbeiten wollt. Ist das korrekt?«
»So wäre es mir am liebsten.« Ihre Stimme klang wie ein trockenes Krächzen, kaum lauter als das Knistern des Feuers.
»Hat dies politische Gründe? Oder ist es, weil Fouché so dumm ist, sich vorzustellen, dass er Euch zur Arbeit als Kurtisane zwingen kann?«
Sie gab keine Antwort. Als Gefangene war man seinen Wärtern keine Rechenschaft schuldig.
Galba verlagerte sein Gewicht, als wäre der Sessel unbequem geworden. Der Junge brachte ihm ein so kleines Tässchen Kaffee, dass es förmlich in seiner Hand verschwand. Sie verharrten schweigend, während Galba trank. Er nahm sich Zeit, als müsse er das Ganze hinauszögern, um nach Worten zu suchen. »Ich habe nichts an der Entscheidung Eurer Mutter auszusetzen. Sie war eine große Patriotin. Aber ihr Weg ist nicht für jeden geeignet. Für Euch ist er es nicht.«
»Nein.«
»Neben Euren französischen Dienstherrn und dem, was Euch vor dem Haus erwartet, habt Ihr noch eine letzte, eine allerletzte Alternative. Den britischen Geheimdienst.«
»Wir sind gar nicht so allerletzt wie die anderen.« Adrian schlüpfte neben sie auf die Couch. »Füchschen, Ihr habt mir vier- oder fünfmal das Leben gerettet. Ich stehe in Eurer Schuld und lasse nicht zu, dass Galba Euch etwas Schreckliches antut.«
»Ich glaube, ich habe Euch nur zweimal gerettet. Und Ihr werdet es doch zulassen, dass er mir absolut schreckliche Dinge antut, mon frère .« Es tat ihr gut, dass Adrian sie verteidigte, obwohl sie beide wussten, was ihr bevorstand. Obwohl er wusste, was ihr bevorstand. »Ihr habt viele Dinge getan, die Ihr nicht tun wolltet. Mir wehzutun, wird für Grey zwar schlimmer sein, da er im Gegensatz zu Euch ein Gewissen hat. Trotzdem … tun werdet Ihr es beide.«
Sie blickte Galba an. Greys Griff wurde fester, vielleicht aufgrund dessen, was sie gesagt hatte, oder aber weil er eine Veränderung bei ihr spürte. Denn jetzt war sie böse und nicht mehr wie vor Angst erstarrt. »Ihr sprecht von Alternativen. Warum ärgert Ihr mich mit der Frage, was ich tun würde, wäre ich frei? Es gibt hier ein Spiel bei den Kindern – Taler, Taler, du musst wandern. Wer hat den Taler? Die Engländer haben ihn. Was werdet Ihr damit anstellen?«
Sie hatte den Eindruck, dass Galba erfreut war. Ihm war es lieber, wenn sie keine Angst hatte.
Er leerte seine Tasse und stellte sie ab. »Ich schlage Euch einen Handel vor. Was ich
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