Joanna Bourne
will, ist das in Eurem Kopf gespeicherte Wissen. Was ich biete, ist ein Weg aus der Falle, in der Ihr sitzt.«
Schweigend wartete sie ab.
»Verratet England die Albion-Pläne. Dann werde ich Euch vor Fouché schützen. Ich werde – und dazu habe ich durchaus die Macht – Leblanc zerschmettern. Ihr bekommt eine neue Identität und ein anonymes, sicheres Zuhause, wo Euch niemand aufspüren wird.« Ein durchdringender Blick aus blauen Augen ließ sie nicht los. »Verratet mir die Pläne, und Ihr werdet von der Last befreit, die Euch auferlegt wird, weil Ihr die Verantwortung für Tausende von Toten als Folge dieser Invasion tragt. Was auch immer dann geschieht … Ihr wäret frei von jeder Schuld.«
Sie hatte das Gefühl, als hätte Galba das Tor zu ihrer Seele geöffnet. Der Umstand, dass sie sich mit ein paar wohl gewählten Worten in Versuchung führen ließ, war bedrückend. Zu gerne würde sie auf diese gewaltige Entscheidung verzichten. Sie wünschte sich schon fast, einfach die Augen vor dem ungeheuren Schaden zu verschließen, den die Engländer ihrem Land mit diesen Plänen zufügen konnten, wünschte, diese Pläne herauszugeben und sie damit endlich los zu sein. Galba erkannte ihre Feigheit, und sie schämte sich.
»Dieser Handel ist die Gelegenheit, Annique. Nehmt Ihr an?«
Doyle und die anderen sahen sie nicht an, sondern gaben vor, sich mit ihrem Kaffee oder einem Fleck an der Wand zu beschäftigen. Im Kamin knisterte das Feuer. Den Schornstein hatte sie schon untersucht, als sie allein im Zimmer gewesen war. Auf halbem Wege war er durch ein in die Mauersteine eingelassenes Gitter versperrt. Bis zum letzten Mauseloch war jeder Ausgang in diesem Haus gesichert. Es gab keinen Weg nach draußen.
Sie würden ihr die schreckliche Entscheidung abnehmen. Oh, wie überaus gerissen sie waren. Sie wussten ganz genau, womit sie ihr kommen mussten.
Sie legte die gefalteten Hände in den Schoß und blickte ihm direkt in die Augen. »Monsieur Galba, ich möchte ungern von einem der Männer verhört werden, die Eure Türschwelle umschleichen. Ebenso wenig möchte ich zu Fouché zurück, der ein eher unfreundlicher Dienstherr ist. Aber ich werde lieber nach Paris gehen und dort wie meine Mutter für ihn im Freudenhaus arbeiten, bevor ich für einen fetten, grauhaarigen, durchtriebenen, alten englischen Spion wie Euch zur Verräterin werde.«
Adrian wäre fast in schallendes Gelächter ausgebrochen und sprang auf, um ans Fenster zu treten. Am anderen Ende des Raumes unterdrückte Maggie ein Kichern. Grey hielt sie erneut an der Schulter fest. Diesmal kräftiger.
Die in den Teppich eingeknüpften Blumen waren ihr unbekannt, und vielleicht waren sie auch nur der Fantasie des Künstlers entsprungen. Doch jetzt betrachtete sie diese Blumen sehr eingehend, da sie im Moment nicht dazu aufgelegt war, irgendetwas oder irgendjemanden in diesem Zimmer anzusehen.
»Eine französische Patriotin«, stellte Galba fest. »Unvernunft bis ins Mark. Zumindest wissen wir jetzt, wo wir stehen.« Als sie einen Blick auf seine Miene riskierte, war es ausgesprochen schwierig, sie zu deuten. Man hätte sogar Erheiterung darin erkennen können. Katzen erheiterte es wahrscheinlich auch, wenn die Maus sie anquietschte und sich wehrte.
»Ab diesem Zeitpunkt lässt sich der weitere Verlauf des Gesprächs vorhersagen. Giles … « Der Junge stapelte Tassen auf ein Silbertablett. Auch er musste lachen und war unverschämt genug, es nicht zu verbergen. »Giles, nimm Mademoiselle … Nein. Wir werden jetzt mit diesem französisierten Getue aufhören und ihre Gedanken in eine andere Richtung lenken. Nimm Miss Annique mit und mache sie mit Krümel bekannt. Dann bring sie in Greys Zimmer und lass sie allein.«
Grey half ihr hoch und stützte sie.
Galba erhob sich. »Gute Nacht. Wir werden die Unterhaltung fortsetzen. Es gibt noch viel zu besprechen.«
Sie wussten, dass sie im Besitz der Albion-Pläne war, und hatten die Absicht, sie an sich zu bringen. Das war die Aussage, die sich hinter all dieser Herzlichkeit verbarg. Da war es am besten, die Wahrheit offen auszusprechen.
»Gute Nacht, Monsieur Galba.« Wie es sich für ein wohlerzogenes Mädchen gehörte, knickste sie vor dem alten Mann. »Wir können so lange und so oft miteinander reden, wie Ihr wollt. Aber ich werde weder essen noch trinken, solange ich in diesem Hause bin. Ihr habt also nur wenig Zeit, mich umzustimmen.«
28
»Eine beeindruckende Frau«, staunte Paxton, als sich die
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