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Joanna Bourne

Joanna Bourne

Titel: Joanna Bourne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geliebte des Meisterspions
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war keine sonderlich triumphale Sache, mich zu überwältigen. Ich habe seit Tagen nichts mehr gegessen. Ihr seid gar nicht so clever, Monsieur Grey.«
    Adrian kicherte, Grey sagte überhaupt nichts. Die Kutsche ruckte und holperte. Sie waren in dieser stillen Landschaft, bergauf und raus aus Paris, recht flott unterwegs. Die Straße – sie war ihr gut bekannt – schlängelte sich durch eine Gegend mit engen Steindörfern, Feldern und vornehmen Häusern inmitten riesiger Gärten. Sie konnte den Duft der spät blühenden Rosen dieser Gärten und die Wiesengräser riechen. Hin und wieder roch es nach Äpfeln. Und überall lag der Geruch der Herdfeuer in der Luft, die des Nachts brannten, um die Kälte aus den kleinen Steinhäusern zu vertreiben.
    Die Stelle war ideal, der Zeitpunkt ebenfalls.
    Schon vor Monaten hatte sie sich mit der Dunkelheit arrangiert. Sie kannte tausend Tricks, wie man sich, auch ohne etwas zu sehen, zurechtfand. Davon hätten diese Männer nur träumen können. Die Nacht war ihr Königreich, das stets so freundlich war, sie zu verstecken. Keiner von ihnen konnte im Dunkeln mit ihr mithalten.
    Sie schluckte den Bissen herunter und tat so, als wollte sie einen weiteren nehmen. Jetzt. Das war die Gelegenheit. Solche Dinge durfte man nicht zu lange planen, sonst merkte der Gegner etwas.
    Sie drehte sich zur Seite und versetzte Grey mit aller Kraft einen Tritt; diesmal, zur Abwechslung, in den Bauch.

4
    »Ich danke den Göttern.« Adrian brach komplett angezogen auf dem Bett zusammen. Sein Mantel stank nach Wein. Das erklärte, warum er bei jedem Schritt taumelte.
    »Du blutest wieder.«
    »Hat keiner gesehen.«
    »Zum Teufel, dann ist es ja gut, wenn’s keiner gesehen hat.« Grey warf Adrians Beine aufs Bett und fing an, ihm die Stiefel auszuziehen. »Verdammter Narr.«
    »Sie suchen jemanden mit einer Schusswunde. Keinen … schwachsinnigen Trunkenbold.«
    »Einen Trunkenbold, der schief singt und mitten über den Hof des Wirtshauses spaziert.«
    »Niemand sieht dich, wenn du dich … nicht versteckst. Das ist genial.«
    Das wäre es gewesen, hätte es Adrian nicht die letzten Kräfte geraubt. »Das nächste Mal machst du, was man dir sagt.« Als Grey die gestreifte Weste aufknöpfte, stellte er fest, dass Adrians Hemd mit Blut getränkt war. Er hatte noch mehr Blut verloren. Und die Kugel steckte auch noch immer in seinem Körper.
    »… außerdem hab ich nicht schief gesungen. Ich habe einen besonders feinen Bariton.«
    »Den hat ein Esel auch. Bleib liegen.« Der Gastwirt, Roussel, hatte Doyles rote Reisetasche schon auf die Anrichte gestellt. Ein kleines Täschchen mit Dietrichen und einer Sammlung spitzer Werkzeuge lag ausgerollt auf dem Tisch. Auch eine Reihe Scheren war dabei. »Ich werde die Jacke aufschneiden.«
    »Noch ein Kleidungsstück, geopfert im Einsatz für den Geheimdienst.« Adrians Lippen zuckten. »Nimm sie. Nimm sie nur. Wir sind einander überdrüssig. Ich trage sie schon seit – lass mich überlegen – drei Tagen?«
    »Vier, seit du angeschossen wurdest.«
    »Ah, ich habe einen Tag vergessen.«
    »Diesen Tag brauchst du nicht zu vergessen. Ich war da.«
    Sie unterhielten sich auf Französisch. Sogar, wenn sie unter sich waren, sogar in diesem Gasthaus, das mit allem Drum und Dran dem britischen Geheimdienst gehörte, verfielen sie nie ins Englische. Es war eine von tausend Verhaltensweisen, die ihr Überleben sicherte. Eine Stimme verändert sich, wenn man eine andere Sprache spricht. Greys Stimme klang vornehm und sanft, wenn er dieses schleppende Toulouse-Französisch nachahmte. Im Englischen dagegen hatte sie diesen vom Akzent der westlichen Landesteile geprägten rauen, grollenden Klang.
    Er krempelte die Ärmel hoch und wählte eine Schere aus. »Die hier ist sehr spitz. Halt still!«
    »Siehe, mein Körper erstarrt.« Adrians Kopf fiel aufs Kissen zurück. »Wir hätten sie nicht hierher mitnehmen sollen. In einem dieser Dörfer wären wir sie schon losgeworden.«
    »Ich brauche sie. Dich hingegen könnte ich irgendwo in der Normandie rauswerfen und mich freuen, dich los zu sein.« Die Schere arbeitete sich durch eine Weste aus Wolle und schwere Seide und das Leinen des Hemdes. »Heb den Arm. Ja, so ist’s gut.«
    »Du hast eine französische Agentin in den Unterschlupf des britischen Geheimdienstes gebracht. Hier hat Roussel das Sagen. Er wird den Wunsch verspüren, ihr die Kehle durchzuschneiden.«
    »Roussel bekommt nicht immer, was er sich wünscht.« Der

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