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Joanna Bourne

Joanna Bourne

Titel: Joanna Bourne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geliebte des Meisterspions
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sichtbar werdende Verband hatte sich mit frischem Blut vollgesogen, das an den Rändern jedoch schon trocknete und braun wurde. Er entfernte den Verband mit ein paar Schnitten.
    Adrian verrenkte sich, um einen Blick auf seine Brust zu werfen. »Von hier sieht’s nach einer schönen Schweinerei aus. Wie schlimm ist es?«
    »Nicht besonders.« Unter einer klebrigen Schicht getrockneten Blutes trat ein feines Rinnsal strohfarbener Flüssigkeit aus der Wunde. Ob das normal war? Er ließ sich nichts anmerken. »Besser als erwartet.«
    Unglücklicherweise ließ sich dieser Hawker jedoch nichts vormachen. Er lehnte sich wieder zurück, schloss und öffnete die Hände ein paarmal und sah zur Seite. Durchs offene Fenster drangen leise die Stimmen von Männern, die draußen an den Tischen saßen. »Wie wär’s mit einem Arzt?«
    »Roussel traut dem von hier nicht. Wir müssen das selber regeln.«
    »Ein Lob auf unsere Unerschrockenheit.«
    Das Fieber war gesunken … ein vorübergehender Waffenstillstand im Kampf gegen die robuste Natur Hawkers. Lange konnte das nicht mehr so weitergehen. Dieser raffinierte, brillante Junge war dem Tode geweiht, weil Grey es nicht riskieren konnte, einen französischen Arzt zu holen. Weil sie zu langsam gewesen waren, als sie vor vier Tagen in Paris durch eine Allee rannten. Weil er Hawker nach Frankreich an die vorderste Front entsandt hatte.
    Morgen würde er den Jungen umbringen, wenn er die Kugel herauspulte. Verdammt, verdammt, verdammt.
    Roussels Tochter hatte Wasser nach oben gebracht. Grey goss etwas davon in eine Schale. Es war heiß, fast zu heiß zum Anfassen. »Wir werden sie erst einmal gründlich reinigen. Dann essen wir gut und verbringen eine erholsame Nacht. Morgen werden wir Paris ein ganzes Stück weit hinter uns lassen, irgendwo anhalten und die Kugel herausholen.« Er musterte die gezackte, rote Stelle auf der Haut. »Das gibt eine hübsche Narbe.«
    »Sie wird meinen ungeheuren Charme noch steigern. Wer wird’s machen – du oder Doyle?«
    »Wir haben hin und her überlegt. Ich habe die ruhigere Hand.«
    »Ihr habt also eine Münze geworfen. Verstehe.« Adrian deutete ein Lächeln an. »Wir könnten auch bis England warten. Ich kenne da einen Mann in Chelsea, der sehr geschickt mit Kugeln umgeht.«
    »Feigling.«
    »Und was für einer. Also morgen. Wenn du so erpicht darauf bist, schlage ich vor, dass du einen abgelegenen Ort wählst. Ich werde nämlich kreischen wie ein Fischweib.«
    »Okay, wird berücksichtigt.«
    Neben der Waschschale lag ein Stapel Handtücher. Grey versuchte sich zu erinnern, was sie nach einer Schlacht in den Sanitätszelten gemacht hatten. Dort hatte man heiße Tücher auf Wunden gelegt. Das funktionierte auch bei Pferden. Einen Versuch wäre es wert. Er tauchte ein Leinentuch in das dampfende Wasser und wrang es vorsichtig aus. »Ganz schön heiß.«
    »Aaah!« Der Junge zuckte zusammen. »Heiß. Ja, da hast du recht.« Er biss die Zähne zusammen und holte mühsam Luft. »Oh, das ist verdammt heiß. Hör zu … Carruthers hat meinen letzten Bericht. Der ist sicher. Sag Giles, er darf sich aus meinem Zimmer in der Meeks Street etwas aussuchen. George bekommt die Armbanduhr aus der Schublade meiner Kommode. Ich habe ihm versprochen, dass er sie bekommt, wenn ich mal von irgendeinem Ausflug nicht zurückkommen sollte.«
    »Von diesem hier wirst du aber zurückkommen.« Grey hob das Tuch an und betrachtete die Wunde.
    »Das ist ein Befehl. Und du weißt ja, was ich von Befehlsverweigerung halte. Willst du wohl aufhören, auf das Einschussloch zu glotzen? Grotesk, wenn du mich fragst.« Adrian heftete seinen Blick auf den Riss, der quer durch den Putz an der Decke verlief. »Grey, wenn das Fieber wieder steigt … dann sorg dafür, dass ich nicht rede.«
    Hawker trug mehr Geheimnisse als alle anderen mit sich herum. »Das werde ich.«
    »Danke.« Er atmete tief durch. »Oh. Das Geld. Ich habe einen Haufen davon unter dem Namen Adrian Hawker bei der Hoare’s Bank deponiert. Und ein paar Urkunden.« Er zuckte zusammen, als Grey das Tuch anhob. »Mach Black John ausfindig. Ich bin nämlich – kaum zu glauben – Pate seines ältesten Sohnes. Das Geld ist für den Jungen.« Noch ein tiefer Atemzug. »Ich glaube, ich habe noch Schulden beim Schneider. Begleich sie bitte für mich.«
    »Du hörst dich an wie Sokrates, dem man den Schierlingsbecher gereicht hat.« Erneut drückte er das Tuch im heißen Wasser aus und legte es zurück auf die

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