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Joanna Bourne

Joanna Bourne

Titel: Joanna Bourne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geliebte des Meisterspions
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Stadtmenschen. Bind mich los.«
    »Und Doyle … ?« Sie konnte den Satz nicht beenden.
    »… führt sie im Kreis. Sie werden ihn nicht schnappen. Er macht das schon länger, als du überhaupt auf der Welt bist. Und ein paar von ihnen haben wir getötet. Nimm mir endlich dieses Seil ab.«
    »Ich denke ja gar nicht daran.« Sie fuhr mit dem Finger über seine Handfesseln, aber nur um zu prüfen, ob sie noch fest saßen. »Ich wünsche Doyle alles Gute. Und dir auch, Grey. Ich wünsche dir alles Gute auf deinen Reisen.« Sie sprach ein letztes Mal mit ihm, und zwar in dieser vertrauten Weise, wie Freunde und Geliebte miteinander reden. »Ab jetzt gehen wir getrennte Wege, wie es schon seit einer Weile in meiner Absicht lag. Es sollte dich doch nicht überraschen.«
    »Mach das nicht, Annique. Lass mich frei.«
    Oh, wie aufgebracht Grey war. Er war kein Mann, dem es nichts ausmachte, hilflos zu sein. Aber in seiner Stimme schwang noch etwas anderes mit … Sorge um sie. Schutzbedürfnis. Sie konnte sich nicht so sehr täuschen. Wenn sie ihm völlig egal wäre, würde es ihr jetzt nicht so wehtun.
    »Ich kann nicht so lange bleiben«, sagte sie. »Leblancs Männer könnten es leid sein, hinter Doyle, diesem Fuchs, herzuhetzen, und umkehren. Außerdem wird sich die Gendarmerie über kurz oder lang fragen, warum ihr Wald mit Leichen übersät ist. Brauchst du Geld? Du kannst etwas von Henris bekommen, falls du möchtest.«
    »Lass mich dich über den Kanal bringen. Auf der anderen Seite werde ich dich freilassen, versprochen. Ich gebe dir einen Vorsprung. So viel du willst. Versuch es nicht auf eigene Faust. Du hast keine Chance.«
    Sie zog ihm die Jacke an der Schulter glatt, wo sich bewundernswerte Muskeln befanden. Ebenso hätte sie am liebsten darin geschwelgt, seine Wange zu liebkosen. Es war sogar noch besser – dieses Gefühl von Haut auf Haut. »Weißt du, wenn ich bei dir bin, habe ich nicht die geringste Angst. Es ist wie ein höchst seltsamer Vorgang voller Magie, der mitten im Herzen stattfindet. Ich wünschte, ich könnte sie mitnehmen, wenn ich fortgehe.«
    Sie sollte besser keine Zeit mit Herumsitzen und Reden verschwenden. Vor Sonnenuntergang hatten sie beide noch etliche Aufgaben zu erledigen. Andererseits hatte sie sich in ihrem Leben noch nicht oft zu derartigen Ausschweifungen hinreißen lassen. Ein paar Minuten konnte sie sich ruhig gönnen. »Ich fürchte mich vor dem nächsten Teil meiner Reise. Weil die See so rauscht, ist es schwer zu hören, was um mich herum ist. Es wird ein trostloser, weiter Weg sein, voller Verwirrungen und Männer, die mir nach dem Leben trachten. Wenn ich könnte, würde ich ihn meiden. Ich bin ja nicht wahnsinnig.«
    »Denk mal nach. Warte einfach kurz und denk nach. Wenn du es wie durch ein Wunder doch nach England schaffst, wirst du mir trotzdem am Ende in die Hände fallen. Du zögerst das Unvermeidliche nur hinaus.« Er versuchte mit aller Macht, sich zu befreien, aber sie war kein Amateur im Fesseln. »Ich werde dir nicht wehtun, das schwöre ich.«
    »Es ist so traurig, mein lieber Grey. Die Regeln unseres ›Spiels‹ schränken uns gewaltig ein. Sie lassen mir nicht den kleinsten Spielraum, um mit dir glücklich zu werden. Oder ohne dich, was das Ganze so unfair macht.« Sie setzte sich etwas bequemer hin, zog die Knie an die Brust und schlang ihre Arme darum. »Ich habe eine merkwürdige Eigenschaft an mir entdeckt. Noch vor einer Stunde dachte ich, du wärst tot, und das tat so weh. Nun aber lebst du, und ich muss dich nur verlassen, aber ich merke, dass es sogar noch mehr schmerzt. Das ergibt doch keinen Sinn.«
    In der ganzen Zeit, in der sie Grey nun kannte – na ja, so lange war es eigentlich auch noch nicht – , hatte sie sein Gesicht noch nie erforscht, um festzustellen, wie er aussah. Jetzt hatte sie die Gelegenheit dazu. Seine Haare waren kurz und fielen weich durch ihre Finger. Er hatte eine sehr markante Nase – sie nahm an, dass sie einmal gebrochen sein musste – und grobe, raue Haut. Die Linie seiner Augenbrauen war sehr ausgeprägt. Kein Schönling, dieser Monsieur Grey. Sie hatte aber auch nicht angenommen, dass er es wäre.
    »Ich werde dir Henris Messer dalassen«, bot sie an, »obwohl ich es selber gut gebrauchen könnte. Es ist als Entschuldigung für die Schläge gedacht, die ich dir mit meinem nützlichen kleinen Totschläger verpasst habe. Du musst dich losschneiden, wenn ich weg bin. Außerdem lasse ich dir Henri da, dessen extreme

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