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Joanna Bourne

Joanna Bourne

Titel: Joanna Bourne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Geliebte des Meisterspions
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eigentlich alle dazu, sie derartig in den Himmel zu loben und eine Meisterspionin zu nennen? Sie hatte sich in eine Gasse drängen lassen. Sie hatte einen Mann viel zu leicht verletzt und dann nicht einmal nachgesetzt, um ihn unschädlich zu machen. Und beinahe hätte sie Leblanc auch noch ganz verfehlt. Das war doch nicht alles, was sie an Wurfkünsten aufzubieten hatte. Sie war zwar mutig genug, aber ihr fehlte es an Brutalität. Wäre sie eine von seinen Agenten gewesen, hätte er sie ohne Aufpasser nicht einmal vor die Tür gelassen.
    »Er hat einfach Adrians Messer mitgenommen«, stellte sie fest. »Wie soll ich denn jetzt Gemüse schälen?« Sie starrte in die Seitengasse, in der Leblanc verschwunden war.
    Das war das erste Mal, dass er sie englisch sprechen hörte. Ihre Stimme klang wunderschön – flüssig, kräftig und mit einem Hauch von Französisch bei jeder Silbe. Eine einschmeichelnde Stimme. Diese Frau konnte nicht einmal atmen, ohne dass es ihn erregte.
    »Andererseits hätte ich damit gar nicht Gemüse schälen mögen, nachdem jetzt das Blut von Leblanc daran klebt.« Sie legte eine Faust an den Mund und brach als verspätete Reaktion auf den Kampf in ein hysterisches Kichern aus.
    Für eine Weile würde sie eine Mauer hinter sich brauchen, damit sie nicht umkippte.
    Seine gestrickte Fischermütze war während der Prügelei heruntergefallen. Er hob sie auf und klopfte sie an der Hose ab, ohne sie aus den Augen zu lassen. Sobald sie sich wieder gefangen hatte, würde sie wegrennen.
    »Außerdem würde er es gar nicht gerne sehen, wenn ich es zum Gemüseschälen benutzte, der Mann, von dem ich den Umgang mit Messern gelernt habe. Er wäre entzückt, wenn er wüsste, wo sich das Messer jetzt befindet. Er kann Leblanc nicht leiden – ich meine meinen Freund – den Freund mit den vielen Messern.« Sie strich sich schwarz glänzende Haarsträhnen aus der Stirn und blinzelte ihn von unten an. Da bemerkte er, dass ihn Annique zum ersten Mal richtig anschaute.
    Sie erkannte ihn nicht.
    Offen und charmant, aber leichenblass lächelte sie ihn an. »Vielen Dank. Wirklich vielen, vielen Dank.«
    Er spielte an der schwarzen Strickmütze herum und wartete darauf, dass sie ihn wiedererkannte. Dann wäre es aus mit ihrer Freude. Er würde sie aus diesem Labyrinth von Straßen schleppen, ihr die Lebhaftigkeit nehmen und sie nach London schaffen. In ein paar Minuten würde es zu einem höchst unliebsamen und absolut unvermeidlichen Kampf kommen. Er würde gewinnen und sie verlieren.
    Sie betrachtete sein Gesicht, seine Haare, seine Schultern, musterte ihn von oben bis unten, in seinem Fischerpullover und seiner Fischerhose. Abschätzend. Anerkennend. Sie sagte: »Ist schon merkwürdig. Da spreche ich fünf Sprachen, und dann fallen mir keine passenden Worte ein, um auszudrücken, wie dankbar ich Euch für meine Rettung bin.«
    Warum erkennst du mich nicht, Annique?
    Sie zitterte, da ihr der Schreck noch tief in den Gliedern saß, lachte und dankte ihm immer wieder höflich. Sie erkannte ihn einfach nicht.
    Mein Gott. Du hast mich ja noch nie gesehen, nicht wahr? Du kennst mein Gesicht gar nicht. Du kennst weder die Farbe meiner Haare noch die Form meiner Nase. Ich könnte irgendjemand sein .
    Sie wusste nicht, wer er war. Wenn er sie gehen ließe und ihr folgte, würde sie ihn vielleicht geradewegs zu den Albion-Plänen führen.
    Ob das funktionierte? Je mehr er darüber nachdachte, umso besser schien ihm die Idee. Sie wusste, wo die Pläne waren. Dessen war er sich sicher. Irgendwie war es Annique, die nach dem blutigen Debakel in Brügge plötzlich die Einzige zu sein schien, die wusste, wo sich die Albion-Pläne befanden.
    Dabei hatte sie nichts aus Frankreich mitgenommen. Er hatte sich an ihre Fersen geheftet, gleich nachdem sie im Hafen – mit leeren Händen – aus dem Fischerboot gestiegen war. Konnten die Pläne etwa schon in England sein?
    Wo sind die Pläne, Annique? Bist du bereits auf dem Weg zu ihnen? Ich möchte wetten, dass du sie Soulier bringen willst .
    Wenn sie ihn zu den Plänen führte … wäre das die denkbar sauberste Lösung. Ein kurzer Schreck, und das war’s. Kein langwieriges, gut einstudiertes Verhör. Keine vergiftete Beziehung, wenn er sie stundenlang um immer weitere Geheimnisse erleichterte. Kein schmerzloses, geschicktes Nötigen, nach dem sie sich beide schlecht fühlen würden.
    In seinem gemütlichen Gefängnis in der Meeks Street würde er die Pläne Stück für Stück aus ihr

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