Job Future - Future Jobs
Orte gemeinsamer Arbeit. Sie bildeten den Kern des Systems der Zünfte, die als aktive Interessenvertretung des Handwerks und als dessen geistiges Kapital dienten, das dem Berufsstand seine wirtschaftliche Macht sicherte. 33
Die Zünfte legten fest, nach welchen Regeln Lehrlinge ausgesucht und Meistertitel erworben wurden, ähnlich wie heute die Kammern in Fachbereichen wie Recht oder Medizin, die die berufsständische Selbstverwaltung und Qualitätssicherung übernehmen.
Hatte ein Anwärter die Aufnahme als Lehrling in die Zunft geschafft, absolvierte er in der Regel eine siebenjährige Lehrzeit, die häufig von den Eltern finanziert wurde. Nach dem erfolgreichen Aufstieg zum Gesellen arbeitete er fünf bis zehn Jahre weiter und konnte dann sein Können als Meister unter Beweis stellen. Ich gehe nicht davon aus, dass so lange Ausbildungszeiten in Zukunft notwendig sein werden, da technische Hilfsmittel und Medien für ein beschleunigtes Lernen sorgen. Allerdings sind Gedanken darüber interessant, was notwendig ist, um ein oberflächliches zu einem gründlichen Können weiterzuentwickeln und wie viel »stilles«, also verinnerlichtes Wissen dafür gebraucht wird.
Die ausgebildeten und etablierten Handwerker des Mittelalters traten nicht als isolierte Einzelunternehmer auf. Vielmehr bestimmte die Zunft über ihre Zulassung und ihren beruflichen Aufstieg und sicherte die Qualität ihrer Arbeit. Ein Ehrenkodex verpflichtete die Handwerker zum Erhalt ihres Rufs sowie zum Erwerb von Vertrauen und persönlichen Verdiensten. Als Teil ihrer Aufgabe legte die Zunft Regeln fest, nach denen sich ihre Redlichkeit bemaß. Und dies war entscheidend, denn der Wohlstand jedes Handwerkers hing letztlich davon ab, ob er sich einen Namen mit seinen Erzeugnissen machen konnte, die auf immer deutlichere Weise seinen persönlichen Stempel trugen. Hatte der Handwerker zu Beginn seiner Lehre die Arbeit des Meisters nachzuahmen versucht, so entwickelte er mit der Zeit in einem langwierigen Prozess allmählich eine persönliche Handschrift, an der andere sein Werk erkennen konnten.
Das mittelalterliche System des Handwerks verlor ab dem 18. Jahrhundert schrittweise an Bedeutung, weil Maschinen die traditionelle Glasbläserei oder die Töpferscheibe ablösten. Trotzdem lohnt es sich, darüber nachzudenken, was uns diese traditionellen Werdegänge, die auf den Erwerb eines meisterhaften handwerklichen Könnens abzielten, über die Zukunft sagen können. Für mich beinhaltet das mittelalterliche Handwerk für die Zukunft drei Lehren:
Erstens wird der Standort – wie von Richard Florida vertreten – für den Erwerb gründlicher Kenntnisse zusehends wichtig werden. Wie die Handwerker des Mittelalters wollen wir in der Nähe derer arbeiten, von denen wir lernen können. So wie der Erwerb gründlicher Kenntnisse immer bedeutender wird, so werden auch die Entscheidungen darüber, wo wir lernen und in welchen Gemeinschaften wir leben, immer wichtiger.
Zweitens hat die Technik zwar unsere Lernprozesse und den Erwerb von Wissen beschleunigt, doch deutet vieles darauf hin, dass gründliches Können nur zu erreichen ist, wenn in Übung, Ausbildung und Weiterentwicklung beträchtlich viel Zeit investiert wird. Möglicherweise müssen bis zu 50 Prozent der mit Arbeit verbrachten Zeit faktisch auf Übung und die Weiterentwicklung von Fertigkeiten verwendet werden. Mit Blick auf absolute Zahlen deutet, wie oben erwähnt, einiges darauf hin, dass zur Erlangung einer wirklich meisterhaften Beherrschung auf einem Gebiet über 10 000 Stunden Praxis erforderlich sind. 34
Und schließlich erinnert das Beispiel der Handwerker daran, dass persönliche Markenzeichen bei der Gestaltung von ausgefeiltem Können eine entscheidende Rolle spielen. Wie wir noch sehen, wird die schmale Gratwanderung zwischen Personal Branding – der Markenbildung – und der Akzentsetzung auf der einen und der Pflege eines reinen Narzissmus auf der anderen Seite immer bedeutsamer werden. Parallelen beim Erwerb meisterhafter Beherrschung sehen wir bei der Teilnahme in dem Mehrspieler-Online-Rollenspiel World of Warcraft . In dieser virtuellen Welt reisen und leben Menschen in Gilden, wobei jeder Mitspieler in einem bestimmten Fachkönnen oder Handwerk Kompetenz erwirbt. Die Spieler konzentrieren und spezialisieren sich in einem Höchstmaß auf einen bestimmten Bereich, in dem sie es schließlich zu meisterhaftem Können bringen. Wie mittelalterliche Handwerker treten sie in
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