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Jodeln und Juwelen

Jodeln und Juwelen

Titel: Jodeln und Juwelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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sich vor Lachen bogen. Joris Groot
hatte ein belangloses Gespräch mit Theonia geführt, während er ihr Profil vor
dem Feuerschein skizzierte. Er zuckte mit den Achseln, nahm sich ein neues
Blatt vor und begann, Tweeters als Papageitaucher zu karikieren, wobei er
erwartungsgemäß besonderes Gewicht auf die Darstellung der Füße legte. Emma
nahm an, dass Groot sich auf die ihm eigene ruhige Weise durchaus amüsierte,
doch sie wünschte sich, er würde endlich gehen und sie eine Weile allein
lassen. Sie wollte sich mit Tweeters über all das unterhalten, womit er seinen
Tag wirklich verbracht hatte. Sie spielte mit dem Gedanken, den Vogelmann zu
fragen, ob er ihr nicht das Innenleben seines Wasserflugzeuges zeigen wolle,
doch er hatte gerade begonnen, einen Vortrag über das merkwürdige Verhalten
junger Trottellummen zu halten. Außerdem war sie nicht sicher, ob ein
derartiger Vorschlag nicht doch ein wenig unhöflich und unvernünftig wäre.
    Von den Alken war es nur ein
Katzensprung zu den Skuas und Falkenraubmöwen, von denen Tweeters so manche
Untat zu berichten wusste. Besonders Skuas waren seiner Erfahrung nach
schreckliche Vögel, die ihre Jungen mit den Nestlingen anderer Vögel fütterten
und manchmal sogar ihrem zweitgeschlüpften Küken das erstgeschlüpfte zu fressen
gaben. Cousine Mabel würde sich mit den Skuas sicher hervorragend verstehen,
dachte Emma gerade, als Graf Radunov in seinem marineblauen Blazer auftauchte
und sie erschrocken feststellte, dass es bereits sechs Uhr war.
    Joris Groot schloss seinen
Skizzenblock, steckte seinen schwarzen Stift in die dazugehörige Haube und
sagte, er gehe besser und mache sich für das Abendessen frisch. Tweeters, der
es sich wieder auf dem Sofa neben Emma bequem gemacht hatte, stand auf und
bemerkte mit offensichtlichem Bedauern, dass es höchste Zeit für den Rückflug
nach Boston sei. Radunov, der den fehlenden Sicherheitsabstand zwischen
Tweeters und Emma mit einer Miene quittierte, die auch Emmas Vater vor fünfzig
Jahren aufgesetzt hätte, brachte ohne viel Worte deutlich zum Ausdruck, dass er
dies für eine hervorragende Idee hielt.
    Doch Tweeters schaffte es einfach
nicht, sich loszueisen. Theonia sah sich schließlich gezwungen einzugreifen.
»Ich bringe dich zum Flugzeug, Tweeters. Ich glaube, ich habe heute Morgen
meine Handschuhe auf dem Sitz liegen lassen.«
    »Ich kann mich gar nicht erinnern, dass
du Handschuhe getragen hast«, lautete Tweeters taktlose Antwort.
    »Aber natürlich habe ich sie nicht
getragen. Wie hätte ich sie sonst vergessen können?« wies ihn Theonia mit
einiger Schärfe zurecht.
    Tweeters war Gentleman genug, um die
Logik dieses Arguments nicht weiter in Frage zu stellen. »Ah ja. Da hast du
Recht. Na, dann wollen wir uns mal auf die Socken machen. Emma, hätten Sie
vielleicht Lust, uns bei der Handschuhsuche zu begleiten?«
    Als er hörte, wie Tweeters so
nonchalant ihren Vornamen benutzte, verlor Graf Radunov fast die Beherrschung.
Emma selbst fand es ein wenig grausam dem Grafen gegenüber, doch Tweeters war
immerhin ein enger Freund der Beacon Hill-Kellings und beging daher mit
Sicherheit keinen Verstoß gegen die Etikette, wenn er ein anderes Mitglied der
Kelling-Familie, das ihm zudem offiziell vorgestellt worden war, beim Vornamen
nannte. Doch wenigstens konnte sie die Einladung freundlich ablehnen, es wäre
ohnehin unhöflich gewesen, sie anzunehmen.
    »Es tut mir schrecklich Leid«, teilte
sie ihrem neuen Verehrer mit, »aber ich kann meine Gäste unmöglich allein
lassen. Vielleicht legen Sie gelegentlich wieder eine kleine Flugpause hier bei
uns ein?«
    »Morgen, beispielsweise?«
    »Oh ja, sehr schön, wenn es Ihnen
zeitlich passt.« Mit einer derart enthusiastischen Reaktion hatte sie nicht
gerechnet. »Es kann allerdings sein, dass ich mich um häusliche Probleme
kümmern muss, die gerade anfallen« — das war sehr harmlos ausgedrückt — , »aber
ich bin sicher, dass Theonia Ihnen gern die Insel zeigen wird. Wahrscheinlich
finden Sie Pocapuk enttäuschend. Wir haben hier noch nicht einmal
Papageitaucher.«
    »Papageitaucher sind nicht alles im
Leben«, gestand Tweeters in einem heroischen Anfall von Selbstverleugnung. »Da
wäre beispielsweise auch noch Drachenfliegen. Sie sind bestimmt ein absolutes
Naturtalent, Emma.«
    »Sehr freundlich von Ihnen. Wir müssen
uns unbedingt ein andermal darüber unterhalten.«
    »Oder Fallschirmspringen und
Heißluftballons«, rief Tweeters noch, während Theonia ihn

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