Jodeln und Juwelen
buchstäblich mit
brutaler Gewalt aus dem Zimmer zerrte.
»Eigentlich hätte ich nicht übel Lust,
über Heißluftballons zu plaudern«, teilte Emma Radunov mit, nachdem der
Vogelmann endgültig entfleucht war. »Ich wollte immer schon einmal eine kleine
Spritztour in so einem Ding unternehmen.«
Graf Radunov schien davon wenig zu
halten. »Mrs. Kelling, in einem Heißluftballon würde es Ihnen ganz sicher nicht
gefallen. Sie würden sich damit nur einer ganz besonders unangenehmer
Kombination von schrecklicher Langeweile und qualvoller Enge aussetzen. Ganz zu
schweigen von dem verstörenden Krach und den Flammen. Eine konstante Gefahr für
Leib und Leben. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede.«
»Auch gut.« Emma verspürte einen
inneren Auftrieb, ob mit oder ohne Ballon. »Bleibt ja noch das Drachenfliegen.
Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten? Anscheinend ist unser Barkeeper noch
nicht da. Wahrscheinlich durchkämmt Vincent immer noch die Insel. Wissen Sie
zufällig, ob Mr. Sendick ihn gefunden hat?«
Graf Radunov wusste es nicht. Er wusste
auch nicht, warum Vincent die Insel durchkämmen sollte, oder behauptete dies
jedenfalls. Erst jetzt fiel Emma ein, dass er nicht anwesend gewesen war, als
sie Wonts Gruppe am Strand von den Geschehnissen berichtet hatte. Sie holte das
Versäumte nach. Radunov war entsetzt oder behauptete dies zumindest.
»Und wie geht es dem armen Kind jetzt?«
»Als Bubbles ihr vor etwa einer Stunde
die Hors d’oeuvres brachte, ging es ihr recht gut«, antwortete Emma. »Apropos,
möchten Sie welche?«
Er warf einen Blick auf den Couchtisch
und zuckte mit den Achseln. Emma sah, was er meinte.
»Ach herrje, Tweeters hat fast den
ganzen Käse und den gesamten Kaviar gegessen. Aber es war ohnehin nur roter«,
erklärte sie entschuldigend. »Ich werde mal nachschauen, was Bubbles sonst noch
für uns zaubern kann. Heute Abend herrscht hier wirklich beträchtliches Chaos.
Vielleicht sollte ich — oh, Bernice, da bist du ja. Gibt es irgendwelche
Neuigkeiten, die Sandy betreffen?«
»Sie sagt, dass sie okay ist«,
antwortete das Mädchen. »Sie will aufstehen und ›Dr. Who‹ gucken, aber ihr
Vater hat es ihr verboten. Und Bubbles möchte wissen, ob Sie vielleicht noch
Eis oder so brauchen.«
»Sag ihm, wir bräuchten noch ein paar
Appetithäppchen. Graf Radunov hatte noch nichts, und die anderen werden
vermutlich auch jede Minute hier eintreffen. Wo ist Sandys Vater? Ist er immer
noch draußen?«
»Nöh. Ich meine natürlich nein, Mrs.
Kelling. Er telefoniert und klingt stinksauer. Wenn er aufgelegt hat, kann ich
ihm sagen, dass Sie mit ihm sprechen wollen.«
»Sag einfach nur, falls es irgendwelche
Neuigkeiten gäbe, würde ich sie gern erfahren. Aber falls er etwas Wichtiges zu
tun hat, werden wir mit den Drinks und dem Abendessen auch ohne seine Hilfe
fertig. Kannst du das alles behalten?«
»Ich glaub’ schon. Und auch noch mehr
Eis, stimmt’s?«
Bernice nahm die leeren Platten vom
Couchtisch und rannte los. Sie trug immer noch ihr grünes Schlumpfhemd und
würde wahrscheinlich auch keine Zeit zum Umziehen haben. Aber was machte das
schon? Das arme Kind war schließlich den ganzen Tag ununterbrochen auf den
Beinen, hatte buchstäblich für zwei gearbeitet und sich zwischendurch auch noch
um Sandy gekümmert. Man konnte schließlich keine Wunder erwarten. Emma nahm den
Drink, den Radunov ihr eingeschenkt hatte, und kehrte zu ihrem Sofanest zurück.
Radunov warf einen fragenden Blick auf die freie Seite neben ihr. Sie lächelte
ihn an.
»Wären Sie so lieb, ein Scheit Holz
nachzulegen? Und dann setzen Sie sich doch neben mich und genießen das
Kaminfeuer. Ich nehme an, Sie fragen sich, warum wir gelogen haben, was das
Telefon betrifft?«
»Es war keine Lüge. Ich würde es eher
als Mehrdeutigkeit bezeichnen.« Er legte das Scheit genau an die richtige Stelle
und kam sofort bereitwillig Emmas Einladung nach. »Was Ihre Gründe betrifft,
könnte ich mir vorstellen, dass Sie auf diese Weise verhindern wollten, dass
die Gäste mit ihren Ferngesprächen horrende Telefonkosten verursachen?«
»Wie scharfsichtig Sie sind. Vincent
sagt, dass die Telefonrechnungen früher Schwindel erregend waren und er auf
diese Weise verhindern möchte, dass so etwas wieder passiert. Ich glaube, wir
sollten solange wie möglich bei unserer Mehrdeutigkeit bleiben. Es wäre nett,
wenn Sie Bernices kleinen Versprecher schnell wieder vergessen würden.«
»Wenn Sie es wünschen, werde ich
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