Joe Kurtz 01 - Eiskalt erwischt
schaffe, unbeschadet durch einen Sexshop zu laufen.«
Kurtz war zum zweiten Mal überrascht. Es gab nicht allzu viele Bewährungshelfer, die früher auf Streife gegangen waren.
»Ich habe Sie gestern in den Nachrichten auf Channel Seven gesehen«, fügte sie hinzu und wartete seine Reaktion ab.
Kurtz wartete ebenfalls.
»Gibt es einen besonderen Grund«, sagte sie schließlich, »dass Sie sich an dem Ort aufgehalten haben, wo in der Nacht zuvor ein Lkw in die Schlucht gestürzt ist?«
»Reine Neugier«, behauptete Kurtz. »Ich kam auf der Autobahn vorbei, sah die Übertragungswagen und bin auf den Rastplatz abgebogen, um zu sehen, was da passiert ist.«
O’Toole machte sich eine Notiz auf ihrem Schreibblock. »Waren Sie auf der amerikanischen oder der kanadischen Seite unterwegs?« Ihr Tonfall wirkte beiläufig.
Kurtz grinste offen. »Wenn ich auf der kanadischen Seite gewesen wäre, Parole Officer O’Toole, wäre das ein Verstoß gegen meine Bewährungsauflagen und Sie würden mich umgehend wieder in den Bau zurückschicken. Ich glaube, Sie konnten anhand des Kamerawinkels ganz gut erkennen, dass die Aufnahmen von der amerikanischen Seite stammen. Ich schätze, der Sender konnte deshalb auch keine allzu guten Bilder von der Stelle liefern, an der das Ding in die Tiefe gerauscht ist.«
O’Toole machte sich eine weitere Notiz. »Sie schienen es fast darauf anzulegen, dass die Kamera Sie in der Zuschauermenge ins Visier nahm.«
Kurtz zuckte die Achseln. »Ist nicht jeder irgendwie scharf drauf, ins Fernsehen zu kommen?«
»So schätze ich Sie nicht ein, Mr. Kurtz. Es sei denn, Sie hatten einen bestimmten Grund dazu.«
Kurtz sah sie ausdruckslos an und dachte: Gott, bin ich froh, dass Hathaway nicht so viel Grips besitzt wie sie.
Sie schielte wieder auf ihren Block. »Okay, was Ihren Wohnsitz betrifft: Haben Sie mittlerweile etwas Festes gefunden?«
»Nicht wirklich. Aber ich mache Fortschritte bei der Suche nach einer dauerhaften Bleibe.«
»Was haben Sie für Pläne?«
»Ich liebäugele mit einer dieser großen Villen auf den Klippen bei Youngstown. Ganz in der Nähe von Fort Niagara.«
O’Toole sah auf ihre Uhr und wartete ab.
»In unmittelbarer Zukunft hoffe ich, eine Mietwohnung zu finden.«
»Übernächste Woche«, erklärte O’Toole in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete, legte ihren Stift weg und setzte die Brille ab, um ihn wissen zu lassen, dass das Gespräch beendet war. »Dann statte ich Ihnen meinen offiziellen Kontrollbesuch ab.«
KAPITEL 24
Die Alabama Beagle Boys – damals waren sie zu fünft gewesen, jetzt lebten nur noch vier von ihnen – verdankten ihren Namen einem unvorteilhaften Foto, das Mitte der 90er über die Nachrichtenagenturen die Runde machte. Damals hatte ein Justizbeamter in Alabama, trunken vor Begeisterung über die zahlreichen Presseberichte, die ihm sein Eintreten für die Wiedereinführung des Arbeitsdienstes beschert hatten, quer gestreifte Gefängniskleidung für alle Häftlinge durchgesetzt. Der Fotograf der Zeitung von Dotham in Alabama war zu einer der Arbeitsbrigaden rausgefahren, die am Highway 84 nicht weit entfernt vom Boll-Weevil-Monument schufteten, und hatte aus der Gruppe fünf scheinbar zufällig ausgesuchte Männer verewigt.
Die Auswahl war aber nicht zufällig gewesen. Der Vorarbeiter machte sich in Wahrheit einen Spaß daraus, fünf etwas unterbelichtete Brüder gezielt für die Fotosession abzustellen. Die fünf übergewichtigen jungen Männer hatten alle jeweils drei Jahre für einen total vermurksten Überfall auf einen Wal-Mart in Dotham aufgebrummt bekommen. Dabei eröffneten 35 rechtmäßig bewaffnete Supermarktkunden – die meisten von ihnen Rentner – und der 74-jährige »Wal-Mart-Empfangsmann«, der eine .357 Magnum bei sich trug, das Feuer auf die Jungs, was vier von ihnen mit Schussverletzungen ins Krankenhaus brachte. Im Anschluss waren sie im Staatsgefängnis gelandet.
Damals waren die fünf noch als Beugel-Brüder bekannt – Warren, Darren, Douglas, Andrew und Oliver –, aber ein Druckfehler im Dotham Journal , der von den Nachrichtenagenturen ungeprüft übernommen wurde, und der lächerliche Eindruck, den die fünf in ihren gestreiften Arbeitsanzügen hinterließen, bescherte ihnen auf ewig den Spitznamen Alabama Beagle Boys. Beagle Boys, so hießen auch die Panzerknacker aus den Donald-Duck-Comics im Original.
Sechs Monate nach dem schicksalsträchtigen Fototermin entkamen vier von ihnen bei einem
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