Joe Kurtz 01 - Eiskalt erwischt
herauszureißen.
»Nun, welchem Umstand verdanken wir das Vergnügen deines nächtlichen Besuchs, Joseph?«, fragte Soul Dad schließlich.
Pruno antwortete für ihn. »Joseph kämpft gegen Windmühlen an. Gegen eine Windmühle namens Malcolm Kibunte, um genau zu sein.«
Soul Dad hob die buschigen Augenbrauen. »Malcolm Kibunte ist keine Windmühle«, sagte er leise.
»Eher ein mörderischer Scheißkerl«, stimmte ihm Kurtz zu.
Soul Dad nickte. »Das und noch mehr.«
»Der Teufel«, sagte Pruno. »Kibunte ist Satan in Person.« Prunos wässrige Augen versuchten sich auf Soul Dad zu konzentrieren. »Du bist hier der Theologe. Wo kommt das Wort ›Satan‹ noch einmal her? Ich habe es vergessen.«
»Aus dem Hebräischen«, referierte Soul Dad, kramte in einer Kiste und brachte etwas Brot und ein paar Früchte zum Vorschein. »Es bedeutet, jemand, der sich auflehnt, behindert oder sich etwas in den Weg stellt . Deswegen auch der ›Widersacher‹.« Er schob das Schachbrett zur Seite und baute die Vorräte vor Kurtz auf. » So nimm dir aber Weizen, Gerste, Bohnen, Linsen, Hirse und Spelt und tu alles in ein Gefäß und mache dir Brot daraus «, intonierte er in seinem tiefen Bass. »Ezechiel 4,9« Er brach feierlich das Brot und reichte Kurtz ein Stück.
Kurtz wusste, dass die Buffalo-Bäckerei in der Nähe zweimal in der Woche einen ausgemusterten Laster voll mit drei Tage altem Brot auf ihrem Parkplatz stehen ließ. Die Obdachlosen kannten die Termine. Kurtz’ Magen knurrte. Er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen. Er hielt die verbeulte, dampfende Blechtasse in einer Hand und griff zu.
»Das Lied Salomos, 2,5«, fuhr Soul Dad fort und legte zwei überreife Äpfel auf die Kiste vor Kurtz. »Oh labt mich mit den Äpfeln.«
Kurtz musste lächeln. »In der Bibel stehen tatsächlich Rezepte und Empfehlungen für Äpfel?«
»Natürlich«, sagte Soul Dad. »Levitikus 7,23 ist sogar so aktuell, dass es da heißt: Ihr sollt kein Fett essen. Trotzdem, wenn ich etwas Speck hätte, würde ich ihn für uns braten.«
Kurtz aß das Brot, biss in den Apfel und nippte am heißen Kaffee. Es war eine der besten Mahlzeiten, an die er sich erinnern konnte.
Pruno zwinkerte und sagte: »Levitikus bestimmt auch: Niemand unter euch darf Blut genießen. Aber ich glaube, daran denkt Joseph, wenn es um diesen Satan Malcolm geht.«
Soul Dad schüttelte den Kopf. »Malcolm Kibunte ist nicht Satan ... der weiße Mann, der ihn mit dem Stoff versorgt, ist Satan. Bei Kibunte passt eher der Vergleich mit Mastema aus dem apokryphischen Buch der Jubiläen.«
Kurtz starrte ihn verständnislos an.
Pruno räusperte sich. »Mastema war der Dämon, der Abraham aufgetragen hat, seinen eigenen Sohn zu opfern«, erklärte er Kurtz.
»Ich dachte, das hätte Gott getan.«
Soul Dad schüttelte langsam und traurig den Kopf. »Kein Gott, der es wert ist, angebetet zu werden, würde so etwas tun, Joseph.«
»Das Buch der Jubiläen wird von der offiziellen Kirche nicht anerkannt«, erwiderte Pruno. Und dann, als ob ihm plötzlich etwas ganz Offensichtliches eingefallen wäre: »Diabolos. Das ist Griechisch und bedeutet: jemand, der einem etwas in den Weg stellt. Malcolm Kibunte ist diabolisch, nicht satanisch.«
Kurtz nippte an seinem Kaffee. »Pruno ließ mir eine Leseliste zukommen, bevor ich nach Attica eingefahren bin. Ich fand, die Liste war gar nicht so lang, aber ich habe mich zehn Jahre lang intensiv damit beschäftigt und bin trotzdem nicht damit fertig geworden.«
»Sapientia prima est stultitia caruisse«, dozierte Pruno. »Horaz. ›Die Dummheit abzulegen ist der Beginn der Weisheit.‹«
»Frederick hatte schon immer ein Faible für Listen zur persönlichen Weiterentwicklung«, sagte Soul Dad mit einem Glucksen.
»Wer ist Frederick?«, fragte Kurtz.
»Ich war das, früher einmal«, sagte Pruno und schloss wieder die Augen.
Soul Dad sah Kurtz an. »Joseph, weißt du, warum Malcolm Kibunte ein Werkzeug Satans und warum der weiße Mann hinter Kibunte Satan persönlich ist?«
Kurtz schüttelte den Kopf und biss ein weiteres Stück aus dem Apfel heraus.
»Yaba«, erklärte Soul Dad.
Bei dem Wort klingelte etwas bei Kurtz, aber es war nur ein sehr weit entferntes Klingeln. »Ist das Hebräisch?«
»Nein«, sagte Soul Dad. »Es ist eine Form von Methamphetamin. So etwas Ähnliches wie Speed, nur mit dem Kick und dem Suchtfaktor von Heroin. Yaba kann man rauchen, schlucken oder spritzen. Jede Körperöffnung wird so die Pforte
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