Joe Kurtz 01 - Eiskalt erwischt
anderen Straßenseite und wartete. Ein Schneeschauer lag in der Luft.
Gegen 16:00 Uhr, als das Tageslicht langsam schwächer wurde, kam Rachel die Straße entlanggelaufen. Kurtz hatte seit Jahren kein aktuelles Foto von dem Mädchen mehr gesehen, aber er erkannte sie sofort. Rachel hatte von ihrer Mutter die blasse Haut und die roten Haare geerbt und wirkte genauso schlank und elegant. Selbst der Gang erinnerte ihn an sie. Rachel war allein.
Kurtz beobachtete, wie das Mädchen das Tor im Lattenzaun passierte, die Post aus dem Briefkasten holte und dann in ihren Ranzen griff, um nach dem Schlüssel zu suchen. Eine Minute, nachdem sie das Haus betreten hatte, ging das Licht in der Küche an der Nordseite an. Kurtz konnte Rachel durch die Jalousien zwar nicht sehen, aber er spürte, dass sie dort war.
Er wartete noch einen Moment, dann ließ er Arlenes Wagen an und fuhr wieder davon.
Kurtz hatte auf dem Weg nach Attica die Augen offen gehalten, um sicherzustellen, dass ihm niemand folgte, aber hier in Lockport hatte er seine Aufmerksamkeit schleifen lassen. Er bemerkte die schwarze Limousine mit den getönten Fenstern nicht, die einen halben Block entfernt parkte. Ebenso wenig nahm er den Mann hinter den getönten Scheiben wahr, der ihn durch ein Fernglas beobachtete. Der Wagen folgte Kurtz nicht, als der davonfuhr, aber der Blick des Mannes folgte ihm mit seinem Fernglas, bis er außer Sicht war.
KAPITEL 28
»Bekomme ich jetzt endlich meinen Wagen zurück?«, fragte Arlene.
»Noch nicht«, sagte Kurtz. »Aber ich fahre dich nach Hause und bringe ihn dir später wieder.«
Arlene murmelte etwas Unverständliches. Dann sagte sie: »Pearl Wilson hat zurückgerufen. Sie sagte, sie trifft dich um sechs Uhr auf dem Parkplatz am Blue Franklin.«
»Verflucht. Ich wollte mich nicht mit ihr verabreden, sondern nur mit ihr reden.«
Arlene zuckte mit den Schultern, fuhr den Computer herunter und ging zum Garderobenhaken an der Wand. Kurtz bemerkte, dass da noch ein zweiter Mantel hing. »Was ist das?«
Arlene warf ihm den Mantel zu. Kurtz probierte ihn an. Ein langer, anthrazitfarbener Wollmantel mit großen Taschen innen und außen. Er gefiel ihm. Der Geruch verriet, dass der frühere Besitzer Raucher gewesen war.
»Da ich schon hier in der Gegend Mittag machen musste, habe ich einen kleinen Abstecher zum Secondhandladen die Straße runter gemacht. Diese Militärjacke – wo auch immer die geblieben ist – passte einfach nicht zu dir.«
»Danke«, sagte Kurtz. »Dabei fällt mir ein, wir müssen auf dem Weg zu dir nach Hause an einem Geldautomaten anhalten und 500 Dollar abheben.«
»Ach, hast du dir ein Konto eingerichtet, Joe?«
»Nein.« Bevor sie das Licht ausschalteten und zum Auto gingen, rief Kurtz noch schnell bei Doc an. Er hatte zwar noch keine Ahnung, wie er an Malcolm Kibunte rankommen würde, aber wenn es ihm gelang, brauchte er mehr als eine popelige 38er.
Docs Anrufbeantworter sprang an, er hörte das vertraute »Ich schlafe, hinterlass mir eine Nachricht« und den Piepton.
»Doc, hier ist Joe. Ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich wegen der Rechnungen später noch vorbeikomme.« Kurtz legte auf. Das reichte, damit Doc wusste, dass er für ihn das Tor zur alten Stahlfabrik offen lassen sollte.
Pearl Wilson fuhr einen wunderschönen, taubengrauen Infinity Q45. Kurtz stieg aus dem Buick, blinzelte, als ihm eine Schneeflocke in die Augen wehte, und stieg dann auf der Beifahrerseite in den Infinity. Der neue Wagen roch nach Leder, organischen Polymeren und Pearls dezentem Parfüm. Sie trug ein weiches, teures Kleid im gleichen Taubengrau wie das Auto.
»Seneca Social Club«, sagte sie und streckte sich unbehaglich auf dem Fahrersitz. »Joe, Schätzchen, was in Gottes Namen hast du vor?«
»Ich weiß noch, dass du da vor Jahren aufgetreten bist. Ich war einfach neugierig, was das für ein Laden ist. Wir hätten uns deswegen nicht extra treffen müssen.«
»Blödsinn.« Pearl schüttelte den Kopf. »Du bist nie einfach nur neugierig, Joe, Schätzchen. Und was das betrifft, so willst du heutzutage nicht wirklich etwas mit dem Seneca Social Club zu tun haben.«
Kurtz wartete.
»Also bin ich«, fuhr sie fort und hatte diese Mischung aus Rauch und Whiskey und Katzenschnurren in der Stimme, die Kurtz jedes Mal aufs Neue faszinierte, »direkt nach deinem Anruf zum Seneca Social Club gefahren, um mich da umzusehen.«
»Verdammt, Pearl. Alles, was ich wollte, war eine grobe Andeutung, was ...«
»Raunz
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