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Joe Kurtz 01 - Eiskalt erwischt

Joe Kurtz 01 - Eiskalt erwischt

Titel: Joe Kurtz 01 - Eiskalt erwischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ungefähr hundert Meter vom Aussichtsparkplatz auf der amerikanischen Seite entfernt, ein Stück Wäscheleine und Malcolm aus dem Kofferraum holte und ihn durch einen Wald vereister Bäume und zugeschneiter Felder schleppte.
    Nach Mitternacht – jetzt war es fast zwei Uhr – waren die mächtigen Scheinwerfer abgeschaltet und sowohl die amerikanischen als auch die kanadischen Fälle schienen in der Dunkelheit noch lauter als sonst zu tosen. Gischt von verschiedenen Überhängen trieb über die Parks auf der US-Seite, schlug sich als Eisschicht auf der den Wasserfällen zugewandten Seite der Bäume nieder und brach aufgrund des hohen Gewichts den einen oder anderen Ast ab.
    Goat Island fungierte als natürliche Landesgrenze. Schon vor langer Zeit waren Brücken errichtet worden, die zu der Insel und ihren kleineren Geschwistern im Niagara führten. Sie waren nachts für den Touristenverkehr geschlossen, aber Kurtz kannte einen Schleichweg durch die Bäume und stapfte auf die imposante Brücke zu, wobei er sich in der Nähe der Betonbrüstung hielt, damit seine Fußstapfen im Schnee nicht auf den ersten Blick auffielen. Glücklicherweise würde sie der inzwischen stärker gewordene Schneefall innerhalb weniger Minuten vollständig beseitigen.
    Kurtz legte mehrere kurze Pausen ein, um sich auszuruhen. Malcolm war ohnehin schon ein großer Mann, als regungsloser Körper aber noch einmal deutlich schwieriger zu transportieren. Bis auf das von den tief hängenden Wolken reflektierte Licht empfand er die Nacht als stockfinster, aber die weißen Schaumkronen der Stromschnellen und das bläulich-weiße Flimmern an der Kante der Wasserfälle auf amerikanischer Seite, keine 40 Meter weiter den Fluss hinunter, ließen sich deutlich ausmachen.
    Malcolm regte sich und stöhnte leise, aber das Donnern der Wasserfälle übertönte sämtliche anderen Geräusche. Kurtz stapfte weiter und rückte sich Malcolms Gewicht auf seiner Schulter zurecht, als er die vereisten Fußgängerwege auf Goat Island erreichte und auf den Aussichtspunkt an der Kante zur kleineren Luna Island zuhielt. Die kleine Brücke spannte sich hier nur wenige Meter über den tosenden Wassermassen und Kurtz musste höllisch auf seine Schritte auf dem vereisten Untergrund aufpassen, um nicht auszurutschen. Hölzerne Sperren waren errichtet worden, um die Leute im Winter von dieser Stelle fernzuhalten, aber Kurtz umging sie kurzerhand und gelangte durch die Bäume zum schmalen, gefrorenen Vorsprung, der die amerikanischen Fälle von den noch größeren Horseshoe-Fällen auf kanadischer Seite trennte.
    Malcolm wurde schlagartig munter, als Kurtz ihn am Ende des Felsvorsprungs zu Boden fallen ließ – keine fünf Meter vom tosenden Abgrund auf beiden Seiten entfernt. Kurtz nahm dem Gauner die Brieftasche ab. Sie enthielt ungefähr 6.000 Dollar in bar, wie er sich mit einem schnellen Blick vergewisserte. Er nahm die Scheine an sich und schleuderte die Brieftasche in hohem Bogen ins Wasser. Er war kein Dieb, aber er zweifelte keine Sekunde daran, dass Malcolm einen deutlich größeren Vorschuss eingesackt hatte, um ihn umzubringen. Deswegen plagten ihn keine Gewissensbisse. Er schnürte die Wäscheleine direkt unterhalb der Arme um Malcolms Brustkorb und vergewisserte sich, dass die Knoten so fest gezogen waren, wie es die billige Leine zuließ. Als primitive Bremse legte er eine Schlaufe um das vereiste Geländer.
    Malcolm begann sich zu wehren, als Kurtz ihn über die Brüstung wuchtete und in den Fluss schleuderte. Das Wasser schüttelte auch die letzten Reste seiner Benommenheit ab und Malcolm brüllte und fluchte aus voller Kehle. Kurtz ließ ihn eine Weile gewähren – die kräftige Strömung übertönte die Schreie weitgehend –, aber weil er nicht wollte, dass der Mann erfror und die Fälle hinabstürzte, bevor er mit ihm geredet hatte, schnauzte er schließlich: »Halt’s Maul, Kibunte!«
    »Kurtz, dubeschisseneDrecksau, fickdichscheißweißerSchwanzlutscher, beschiss... hey!«
    Kurtz hatte für einen Sekundenbruchteil die Leine losgelassen und drei zusätzliche Meter Schnur freigegeben. Die Leine sirrte über das Geländer. Er packte erst wieder zu, als Malcolms Füße nur noch anderthalb Meter von dem tosenden weißen Schaum am Abgrund vor den Wasserfällen entfernt waren.
    »Hältst du wohl den Mund, außer ich erlaube dir, dass du reden darfst?«, brüllte Kurtz.
    Malcolm blickte über die Schulter auf seine Beine, die von der Wucht der Fälle aus dem

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