Joe Kurtz 02 - Bitterkalt
unterbrach ihn Hansen ungeduldig. »Ich habe seine Akte gelesen. Er stand auf der Liste der Verdächtigen für das Farino-Massaker im letzten November. Aber es gab keine Beweise, die ihn damit in Verbindung brachten.«
»Die gibt es bei diesem Kurtz nie«, konstatierte Brubaker verbittert. Hansen wusste, dass Brubaker auf den Tod seines Kumpels Jimmy Hathaway anspielte. Hansen war noch nicht lange in Buffalo gewesen, als Hathaway ums Leben kam, aber er hatte den Mann kennengelernt und sofort als den dümmsten Cop eingestuft, dem er je in seinem Leben begegnet war, und das wollte etwas heißen. Hansen vertrat die Auffassung – die er mit den meisten leitenden Beamten, selbst jenen, die schon seit Jahren in der Abteilung arbeiteten, teilte –, dass es Hathaways Verbindungen zum Farino-Syndikat gewesen waren, die ihn das Leben kosteten.
»Es heißt, Kurtz habe diesen Drogendealer Malcolm Kibunte kurz nach seiner Entlassung aus Attica in die Niagarafälle geworfen«, erzählte Myers. »Hat ihn einfach über die scheiß ... Sorry, Captain.«
»Mir wird kalt«, sagte Hansen. »Was wollen Sie?«
»Wir sind diesem Kurtz eine Zeit lang auf eigene Faust gefolgt«, antwortete Brubaker. »Wir würden die Beschattung gerne im Rahmen einer offiziellen Ermittlung fortsetzen. Drei Teams würden reichen. Woltz und Farrell sind momentan mit keinem Fall betraut und ...«
Hansen schüttelte den Kopf. »Nur Sie beide. Wenn Sie diesen Kerl beschatten wollen, dann tun Sie es meinetwegen ein paar Tage während der Dienstzeit. Aber schreiben Sie dafür keine Überstunden auf.«
»Oh, Sch... schade, Captain«, sagte Myers. »Wir sind heute bereits seit zwölf Stunden im Dienst und ...«
Hansen brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen. »Sonst noch etwas?«
»Nein, Sir«, beeilte sich Brubaker zu versichern.
»Dann entfernen Sie bitte diesen Schrotthaufen aus meiner Einfahrt«, forderte Hansen und wandte sich wieder der hell erleuchteten Eingangstür des Hauses zu.
Kapitel 9
Angelina Farino Ferrara hockte auf ihrem sündhaft teuren Platz direkt an der Eisfläche und wartete ungeduldig darauf, dass sich jemand verletzte. Sie musste sich nicht lange gedulden. Elf Minuten und neun Sekunden nach Beginn des ersten Drittels knallte Sabres-Verteidiger Rhett Warrener den Kapitän der Vancouver Canucks, Markus Naslund, im Toraus gegen die Bande, warf ihn zu Boden und brach ihm das Schienbein. Die Menge johlte.
Angelina hasste Eishockey. Eigentlich hasste sie jeden organisierten Sport, aber Eishockey langweilte sie am meisten. Wenn sie daran dachte, dass sie womöglich eine Stunde lang diese zahnlosen Affen dabei beobachten musste, wie sie über das Eis schlitterten, ohne ein Tor – ein einziges Tor! – zu erzielen, hätte sie am liebsten laut aufgeschrien. Aber sie war fast 14 Jahre lang von ihrem Eishockey-vernarrten verstorbenen Vater zu allen möglichen Sabres-Spielen mitgeschleppt worden. Das neue Stadion hieß HSBC-Arena, irgendeine Großbank hatte dafür wohl tief in die Tasche gegriffen, aber jeder in Buffalo wusste, dass das Kürzel in Wirklichkeit für »Hot Sauce, Blue Cheese« oder »Holy Shit, Buffalo’s Cold!« stand.
Angelina erinnerte sich an ein Match, das sie als Kind vor vielen Jahren sehr genossen hatte. Es war im Rahmen der Play-offs zum Stanley-Cup gewesen, noch in der alten Sporthalle, und die Saison zog sich damals ungewöhnlich lange hin, bis in den Mai hinein. Die Temperatur lag bei knapp über 30 Grad, das Eis begann zu schmelzen und produzierte einen feuchten Dunst, der unzählige Fledermäuse, die seit Jahren zwischen den Holzbalken des uralten Coliseums hausten, aus ihrem Schlaf weckte. Angelina erinnerte sich noch gut, wie sehr ihr Vater geflucht hatte, als selbst die Leute auf den teuren Plätzen kaum noch etwas sehen konnten. Man hörte nur noch die Grunzlaute und Rufe und Flüche von der Eisfläche, als die Spieler im Nebel zusammenstießen und sich kloppten, während die ganze Zeit Fledermäuse in den Nebel hinein- und wieder aus ihm herausflatterten, zwischen den Tribünen hin und her schossen und die Frauen zum Kreischen brachten und die Männer zu noch lauterem Fluchen veranlassten.
Bei diesem Spiel hatte sich Angelina wirklich großartig amüsiert.
Doch als sich jetzt Trainer und Sanitäter und Mitspieler auf Schlittschuhen um den verletzten Naslund drängten, verließ sie ihren Platz und ging zur Damentoilette.
Die Boys, Marco und Leo, stapften neben ihr her und schielten misstrauisch in die
Weitere Kostenlose Bücher