Joe Kurtz 02 - Bitterkalt
Menge. Angelina wusste, dass die beiden brauchbare Leibwächter und Mafiaschergen waren – zumindest auf Marco schien das zuzutreffen –, aber sie wusste auch, dass ihr Bruder sie ausgesucht hatte und ihre Hauptaufgabe darin bestand, Stevie von jeder ihrer eigenen Handlungen und Aktionen brühwarm zu berichten. Angelina Farino Ferrara hatte von genügend berühmten Persönlichkeiten gehört – Premierministerin Indira Gandhi zum Beispiel –, die von eigenem abtrünnigen Sicherheitspersonal abgeknallt worden waren. Sie plante nicht, auf dieselbe Art und Weise von der Bühne abzutreten.
Am Eingang zur Damentoilette wichen Marco und Leo weiterhin nicht von ihrer Seite. »Um Gottes willen«, schimpfte Angelina. »Niemand wird mir auf dem Klo auflauern. Organisiert uns lieber ein paar Bier und Hotdogs und dazu ein bisschen Popcorn.« Marco nickte Leo zu, hielt aber offenbar an seinem ursprünglichen Plan fest, vor der Damentoilette auf sie zu warten. »Gehen Sie und helfen Sie Leo tragen.«
Marco runzelte die Stirn, folgte dann aber seinem Kollegen um die nächste Ecke zum Erfrischungsstand. Angelina trat in die überfüllte Damentoilette, sah, dass dort kein Joe Kurtz in Frauenkleidern auf sie wartete, und huschte schnell wieder zurück in die Menge.
Kurtz lehnte vor der Einmündung zu einem kleinen Seitengang an der gegenüberliegenden Wand. Angelina ging auf ihn zu.
Kurtz behielt eine Hand in der Tasche seines Mantels und bedeutete ihr mit dem Kopf, in den schmalen Servicekorridor hineinzugehen.
»Ist das eine Pistole in Ihrer Tasche?«, wollte Angelina wissen, »oder freuen Sie sich nur ...«
»Es ist eine Pistole.« Kurtz bedeutete ihr, eine Tür am Ende des Gangs mit der Aufschrift NUR FÜR PERSONAL zu öffnen.
Angelina holte tief Luft und ging hindurch, wobei ihr auffiel, dass das Schloss in Watergate-Manier durch Klebeband am Zuschnappen gehindert wurde. Eine Metalltreppe führte in ein chaotisch anmutendes Untergeschoss voller Heizungskessel sowie kilometerlanger Rohr- und Ventilsysteme, die mit der Eisfläche über ihnen verbunden waren. Kurtz wies auf einen der engen Trakte und Angelina lief voran. Auf halber Strecke blickte ein Schwarzer durch das Fenster seines Büros, nickte Kurtz zu und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
»Ein Freund von Ihnen?«, fragte Angelina.
»Ein Freund von Ben Franklin«, erklärte Kurtz. »Dort hinauf.« Eine weitere lange Metalltreppe führte zu einer Seitentür.
Sie kamen am dunklen Ende des Parkplatzes hinter den riesigen Lüftungsrohren der Heizung und Klimaanlage heraus.
»An die Wand!«, forderte Kurtz. Er hatte seine .40-Halbautomatik aus der Tasche gezogen und hielt die Waffe auf sie gerichtet.
»Muss das jetzt wirklich ...«, begann Angelina.
Kurtz bewegte sich sehr, sehr schnell, wirbelte sie herum und stieß sie mit einer solchen Wucht gegen die Wand, dass sie ihre Hände hochreißen musste, um nicht mit dem Gesicht gegen die Backsteine zu prallen. Er trat ihr die Füße weiter auseinander und sie dankte dem Herrn, dass sie nach dem Besuch bei Gonzaga ihren engen Rock gegen Wollhosen eingetauscht hatte.
Wieder war Kurtz’ Abtastung effizient und unpersönlich, soweit man es unpersönlich nennen konnte, wenn einem jemand mit der Hand über Brüste, Gesäß, Hüften und Schritt fuhr. Er zog die kleine .45er aus dem Holster in ihrem Kreuz und ließ sie in seine Tasche gleiten, dann durchwühlte er ihre Handtasche.
»Auch diese Pistole will ich zurückhaben«, forderte sie.
»Warum? Haben Sie damit Ihren zweiten Mann erschossen?«
Angelina stieß die Luft aus. Komiker. Sie hielten sich alle für Komiker. »Ich kenne den Hersteller«, sagte sie. »Fratelli Tanfoglio von den Gardone-Tanfoglios.« Er ignorierte sie und warf ihr die Handtasche zu, als sie sich zu ihm umdrehte. »In Italien«, fügte sie überflüssigerweise hinzu.
»Gehen wir«, sagte Kurtz.
»Wohin?«, erkundigte sich Angelina und verspürte zum ersten Mal so etwas wie Besorgnis. »Es war lediglich ausgemacht, dass ich Ihnen verrate, wie Sie an Beweise kommen, dass Emilio Gonzaga für den Tod Ihrer Partnerin verantwortlich ist. Ich werde nirgends mit Ihnen ...« Sie sah in Kurtz’ Gesicht und verstummte.
»Gehen wir«, wiederholte Kurtz.
Sie arbeiteten sich über die Eisfläche des dunklen Parkplatzes voran. »Mein Jaguar parkt auf der anderen Seite«, sagte Angelina. »Auf dem VIP-Parkplatz neben ...«
»Wir fahren nicht mit Ihrem Wagen«, entgegnete Kurtz.
»Wenn Marco und Leo
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