Joe Kurtz 02 - Bitterkalt
setzte seine Wanderung von Gast zu Gast fort, lachte, erzählte kleine Anekdoten, schmunzelte über seine eigene Sterblichkeit, die jetzt mit 50 am Horizont lauerte – in Wirklichkeit hatte er sich noch nie in seinem Leben stärker, klüger oder lebendiger gefühlt –, und arbeitete sich dabei langsam in Richtung Küche und Donna vor.
Sein Pieper vibrierte.
Hansen schaute auf das Display. »Verdammt!« Das hatte ihm gerade noch gefehlt, dass diese Clowns ihm den Geburtstag vermasselten. Er ging in sein Zimmer, um das Handy zu holen – sein Sohn surfte am Computer und blockierte damit die einzige Leitung ihres Festnetzanschlusses –, und tippte die Nummer ein.
»Wo sind Sie?«, fragte er. »Was gibt es?«
»Wir stehen vor Ihrem Haus, Sir. Waren gerade in der Gegend und haben wichtige Neuigkeiten parat, aber wir wollten Ihre Geburtstagsparty nicht stören.«
»Gut mitgedacht«, lobte Hansen. »Bleiben Sie, wo Sie sind.« Er zog sich einen Kaschmirblazer über und absolvierte einen schier endlos erscheinenden Spießrutenlauf zwischen Schulterklopfern und Glückwünschen, bis er sich endlich aus dem Haus davonstehlen konnte. Die beiden warteten am Ende der Einfahrt neben ihrem Fahrzeug und stampften mit den Füßen, um sich warm zu halten.
»Was ist mit dem Wagen passiert?«, fragte Hansen. Selbst im schwachen Schein der entfernten Terrassenlampen konnte Hansen das Graffiti deutlich erkennen.
»Diese verfickten Straßenstricher haben uns besprüht, während wir ...«, begann Detective Brubaker.
»He«, schimpfte Hansen. »Mäßigen Sie Ihre Zunge.« Er verachtete Schimpfwörter und Obszönitäten.
»Sorry, Captain«, sagte Brubaker. »Myers und ich sind heute Morgen einem Hinweis nachgegangen. Dabei haben Straßenkinder unser Dienstfahrzeug mit ihren Spraydosen verziert. Wir ...«
»Was gibt es denn für wichtige Neuigkeiten, die nicht bis Montag warten können?«, unterbrach ihn Hansen. Brubaker und Myers waren unehrliche, brutale Polizisten und Kumpel dieses ermordeten korrupten Bullen Hathaway, dem das Polizeirevier im letzten Herbst Krokodilstränen nachgeweint hatte. Hansen verachtete korrupte Polizisten noch mehr als Obszönitäten.
»Curly ist gestorben«, verkündete Myers.
Hansen musste kurz überlegen. »Henry Pruitt«, sagte er dann. Einer der drei ehemaligen Attica-Sträflinge, der schwer verletzt auf der Interstate 90 entdeckt worden war. »Hat er vorher noch das Bewusstsein zurückerlangt?«
»Nein, Sir«, erwiderte Brubaker.
»Und warum belästigen Sie mich dann damit?« Bei diesem Fall hatte es keine verwertbaren Spuren gegeben und die Beschreibungen der Zeugen im Schnellrestaurant widersprachen sich. Ein uniformierter Polizist vor Ort war bewusstlos geprügelt worden, konnte sich an nichts erinnern und galt als Lachnummer des ganzen Departments.
»Uns ist da ein Gedanke gekommen«, verriet Detective Myers.
Hansen verkniff sich einen spöttischen Kommentar und schwieg.
»Ein Typ, mit dem wir uns heute eine kleine Auseinandersetzung geliefert haben, saß mal in Attica ein«, ergänzte Brubaker.
»Ein Viertel der Bevölkerung unserer schönen Stadt hat entweder in Attica eine Haftstrafe verbüßt oder ist zumindest mit einem der Häftlinge verwandt«, gab Hansen zu bedenken.
»Ja, aber dieser Kerl kannte die Stooges wahrscheinlich«, sagte Myers. »Und damit hat er ein Motiv, sie aus dem Weg zu räumen.«
Hansen blieb im Schnee stehen und wartete. Die ersten Gäste fuhren bereits nach Hause. Er hatte lediglich zu einer zwanglosen Cocktailparty mit Büffet eingeladen. Nur einige seiner engsten Freunde blieben noch zum Abendessen.
»Die D-Block-Mosque hat eine Fatwa auf unseren Freund ausgesetzt«, sagte Brubaker. »10.000 Dollar. Eine Fatwa ist ...«
»Ich weiß, was eine Fatwa ist«, entgegnete Hansen unwirsch. »Ich bin wahrscheinlich der einzige Polizist in diesem Revier, der Salman Rushdie gelesen hat.«
»Ja, Sir«, sagte Myers, um sich für seinen Partner zu entschuldigen. Dick und Doof.
»Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Hansen. »Dass Pruitt, Tyler und Banes« – er verwendete nie Spitznamen oder respektlose Bezeichnungen für Tote – »versucht haben, das Kopfgeld der Death-Mosque-Bruderschaft einzukassieren und Ihr Verdächtiger ihnen zuvorgekommen ist?«
»Ja, Sir«, erwiderte Detective Brubaker.
»Wie heißt er?«
»Kurtz«, antwortete Myers. »Joe Kurtz. Ist selber ein Exsträfling. Hat elf Jahre seiner 18-jährigen Haftstrafe wegen ...«
»Ja, ja«,
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