Joe Kurtz 02 - Bitterkalt
ihren König umzuwerfen und ihn liebenswürdig anzulächeln.
Nun, dachte Angelina, scheiß drauf .
Sie wusste, dass Joe Kurtz ein eiskalter Killer war. Ihr Bruder Stevie – na gut: Little Skag – hatte ihr von Kurtz’ Vergangenheit berichtet: der Liebe des ehemaligen Privatdetektivs zu seiner toten Partnerin Samantha Fielding, die darin resultierte, dass einer ihrer mutmaßlichen Mörder spurlos verschwand und der andere aus einem Fenster im fünften Stock auf das Dach eines gerade eintreffenden Streifenwagens geworfen wurde. Kurtz hatte für seine Rache mehr als elf Jahre abgesessen und sich, wie Little Skag sagte, nie darüber beklagt. Am Tag nachdem Kurtz aus Attica entlassen worden war, hatte er sich mit einem geschäftlichen Vorschlag an Don Farino gewandt. Die Angelegenheit war äußerst blutig verlaufen und hatte mit dem Tod von Angelinas Vater und Schwester geendet. Kurtz trug keine Schuld an ihrem Tod – Little Skag, Angelinas ach so harmloser kleiner Bruder, hatte von Attica aus einen Killer auf sie angesetzt –, aber Kurtz ließ eigene Leichen in seinem Kielwasser zurück.
Angelina war überzeugt davon gewesen, Kurtz unter Kontrolle halten oder ihn zumindest auf ihre Zielperson ansetzen zu können. Johnny Norse, der atmende Leichnam im Hospiz in Williamsville, hatte Angelina und ihre Schwester seit der Mittelschule mit Drogen versorgt – Don Farino hätte seine Töchter enterbt, wäre ihm zu Ohren gekommen, dass sie von seinen eigenen Leuten Drogen kauften. Von Norse hatte sie auch von Emilios Befehl erfahren, Samantha Fielding zu töten. Die Information war Angelina zunächst bedeutungslos erschienen, aber immerhin konnte sie Kurtz damit Emilio auf den Hals hetzen, falls ihre anderen Pläne nicht fruchteten.
Angelina staunte immer wieder aufs Neue über Joe Kurtz. Wie andere Soziopathen, die sie gekannt hatte, erschien er verschlossen, still, teilweise fast phlegmatisch, aber anders als andere Killer, die ihren Weg kreuzten, etwa ihr erster Mann in Sizilien, legte Kurtz manchmal einen Humor an den Tag, der an echten Esprit grenzte. Und dann, gerade wenn sie dachte, dass er vielleicht doch zu weich für diesen Job war ... nun, sie erinnerte sich noch gut daran, wie Kurtz vorhin eine Kugel in Leos linkes Auge gejagt hatte, ohne mit der Wimper zu zucken.
Kurtz hatte einen schläfrigen Eindruck gemacht, als sie vor dem Tor des Gonzaga-Anwesens anhielten. Er gab seine Pistole ab und ließ sich mit unbewegter Miene filzen. Er schien immer noch halb zu schlafen, als sie die lange Auffahrt entlangfuhren, aber Angelina wusste, dass Kurtz seine Umgebung aufmerksam beobachtete und sich alle wichtigen Details merkte. Marco war so ruhig wie immer. Angelina hatte keinen blassen Schimmer, was er von der jüngsten Planänderung hielt.
Im Haus wurden sie ein weiteres Mal durchsucht. Als Angelina zu Emilio in den Speisesaal geführt wurde, blieb Mickey Kee ungewöhnlicherweise draußen im Foyer bei den beiden Wachen zurück, die auf Marco und »Howard« aufpassten. Etwas an Kurtz schien sein Misstrauen zu wecken.
Erst nach der Suppe und nachdem sie dem fetten Bastard zugehört hatte, wie er Süßholz raspelte und ihr erklärte, wie nach der »Fusion« der beiden Familien die Drogen- und Prostitutionsgeschäfte aufgeteilt werden sollten, pünktlich zum Fisch, erkannte Angelina plötzlich, was Joe Kurtz plante.
Kurtz war heute nicht mitgekommen, um das Gelände auszukundschaften, oder damit Emilios Leibwächter sich an ihn gewöhnten, um bei einer anderen Gelegenheit mit ihr hierher zurückkehren. Nein, heute war der Tag. Sie wusste, dass Kurtz nicht mal ein Taschenmesser dabeihatte, aber er würde sich im Foyer irgendwie eine Waffe beschaffen – möglicherweise indem er Mickey Kee seine Knarre entriss –, Kee und die beiden anderen Wächter töten, Marco erschießen und wild um sich ballernd in den Speisesaal hereinstürmen.
Kurtz war es egal, dass für ihn oder Angelina kein Fluchtweg existierte. Kurtz’ Plan war simpel – Emilio und alle anderen im Raum zu töten, bevor er selber erschossen wurde. Vielleicht würde er Angelina packen und als menschliches Schild benutzen. Eine sehr elegante Vorstellung.
»Was ist los?«, erkundigte sich Emilio. »Ist der Fisch nicht gut oder was?«
Angelina bemerkte, dass sie aufgehört hatte zu essen und ihre Gabel in der Luft schwebte. »Nein. Nein, er ist hervorragend. Mir ist nur gerade etwas eingefallen, was ich noch erledigen muss.« Weglaufen. So schnell wie
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