Joe Kurtz 02 - Bitterkalt
fuhr zur Intensivstation und entdeckte die Krankenschwester, die gerade auf ein Mobiltelefon einredete, während sie besorgt zu einer schlafenden oder komatösen Patientin hinunterschaute. Das Mädchen hatte Blutergüsse und Bandagen und mindestens drei Schläuche, die in ihren Körper hineinragten.
»Mrs. Demarco?« Hansen zeigte seine Dienstmarke.
»Ich muss Schluss machen«, sagte die Schwester ins Telefon und drückte eine Taste, behielt das Gerät aber in der Hand. »Was kann ich für Sie tun, Captain?«
Hansen schenkte ihr sein bezauberndstes Lächeln. »Sie wissen, dass ich Captain bin?«
»Es steht auf der Marke, die Sie mir gerade gezeigt haben, Captain. Lassen Sie uns hinausgehen.«
»Nein, hier ist es schon gut«, fand Hansen. »Es wird nur einen Moment dauern.« Hier trennten die Glastüren und -wände sie von der Schwesternstation. Er trat ans Bett und beugte sich über das schlafende Mädchen. »Verkehrsunfall?«
»Ja.«
»Wie heißt das Mädchen?«
»Rachel.«
»Wie alt?«
»14.«
Hansen setzte erneut sein gewinnendes Lächeln auf. »Ich habe einen 14-jährigen Sohn. Jason. Er will Eishockeyprofi werden.«
Die Schwester antwortete nicht. Sie blickte auf einen der Monitore und stellte eine Infusion neu ein. Sie hielt immer noch das Mobiltelefon in der linken Hand.
»Wird sie es schaffen?«, erkundigte sich Hansen, den es nicht im Geringsten interessierte, ob das Kind überlebte oder hier und jetzt einen Herzstillstand erlitt. Ihm kam es nur darauf an, Gail Demarcos Sympathie zu gewinnen. Die wenigsten Frauen konnten seinem Lächeln und seiner charmanten Ader widerstehen.
»Das hoffen wir«, verkündete die Schwester. »Wie kann ich Ihnen weiterhelfen, Captain?«
»Haben Sie etwas von Ihrer Schwägerin Arlene gehört, Mrs. Demarco?«
»In der letzten Woche nicht. Steckt sie in Schwierigkeiten?«
»Wir wissen es nicht.« Er zeigte ihr Frears’ Foto. »Haben Sie diesen Mann schon einmal gesehen?«
»Nein.«
Kein Zögern. Keine Fragen. Keine Anzeichen von Beunruhigung. Gail Demarco reagierte nicht nach Drehbuch. »Wir glauben, dass dieser Mann möglicherweise Ihre Schwägerin entführt hat.«
Die Krankenschwester blinzelte nicht einmal. »Warum sollte er so etwas tun?«
Hansen rieb sich das Kinn. Unter anderen Umständen hätte er mit dem größten Vergnügen sein Messer eingesetzt, um diese unkooperative Frau zu bearbeiten. Um sich zu beruhigen, blickte er auf das schlafende Mädchen hinab. Sie war gerade noch im oberen Bereich seiner bevorzugten Altersgruppe. Er hob ihr Handgelenk und warf einen Blick auf das meergrüne Krankenhausarmband.
»Bitte fassen Sie sie nicht an, Captain. Wir wollen mögliche Infektionen vermeiden. Vielen Dank. Wir sollten wirklich nicht hier drinnen sein.«
»Nur noch eine Sekunde, Mrs. Demarco. Ihre Schwägerin arbeitet für einen Mann namens Joe Kurtz. Was können Sie mir über Mr. Kurtz sagen?«
Die Schwester hatte sich zwischen Hansen und das schlafende Mädchen gestellt. »Joe Kurtz? Eigentlich nichts. Ich habe ihn nie kennengelernt.«
»Sie haben also in den letzten Tagen nichts von Arlene gehört?«
»Nein.«
Hansen gewährte der Frau noch einen letzten Blick auf sein charmantestes Lächeln. »Sie haben uns wirklich sehr geholfen, Mrs. Demarco. Wir machen uns wirklich Sorgen um den Verbleib und das Wohlergehen Ihrer Schwägerin. Rufen Sie mich bitte sofort an, wenn sie sich bei Ihnen meldet. Hier ist meine Karte.«
Gail Demarco nahm die Karte, ließ sie aber sofort in die Tasche ihres Kittels gleiten, als wäre sie kontaminiert.
Hansen fuhr mit dem Aufzug zurück zur Rezeption, wo er kurz noch ein paar Worte mit der diensthabenden Schwester wechselte, dann machte er sich auf den Weg in die Tiefgarage. Er besaß jetzt ein paar neue Teile für sein Puzzle. Erstens: Kurtz’ Sekretärin hatte mit ihrer Schwägerin gesprochen, ihr aber offensichtlich nichts von Frears erzählt. Sie wusste gerade eben genug, um sich keine Sorgen über die Sicherheit ihrer Schwägerin zu machen. Zweitens: Gail war mit ziemlicher Sicherheit bekannt, wo sich Arlene und wahrscheinlich auch Kurtz versteckten. Drittens: Die Chancen standen gut, dass Arlene und ihr Chef, wahrscheinlich auch Frears, in Schwester Demarcos Wohnung an der Colvin Avenue steckten. Viertens, und das war vielleicht das Wichtigste: Hansen hatte den Namen des Mädchens auf dem Armband wiedererkannt – Rachel Rafferty.
Die meisten Leute wären nie auf diese Verbindung gekommen, aber James B.
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