Joel 4 - Die Reise ans Ende der Welt
Jenny. Seinen Brief hatte sie noch nicht bekommen. Aber sie sagte sofort ja, als er sie fragte, ob er ein paar Nächte bei ihnen schlafen könnte, während er auf sein Seefahrtsbuch wartete und auf einem Frachter angeheuert hatte.
Samuel wartete vor der Telefonzelle. Er hatte das Zimmer bezahlt. Den Koffer hatte er in der Abstellkammer des Hotels untergebracht, nachdem er den Griff wieder repariert hatte.
»Ich wollte ihn reparieren«, sagte Joel. »Aber es ist nicht gut geworden.«
»Das macht nichts«, antwortete Samuel. »Der Koffer ist schon alt. Und ich verreise ja nicht mehr so viel.« An diesem Morgen war er sehr still. Noch stiller als sonst. Aber er schüttelte den Kopf, als Joel ihn fragte, ob er Magenschmerzen hätte.
Nach dem Frühstück fuhren sie mit der Straßenbahn zum Värtahafen.
M/S Karmas
war fort. Gerade legte ein anderes Schiff an. Es hatte eine belgische Flagge, das wusste Samuel.
M/S Gent.
Joel schielte zu Samuel. Wurde seine Lust jetzt wach? Die Gangway hinaufzugehen, die gerade heruntergelassen wurde? Aber Samuel blieb stumm. Es war, als stände er mit offenen geschlossenen Augen da.
Hinterher, in der Straßenbahn, fragte Samuel, welche Arbeit Joel eigentlich an Bord machen wollte. Wollte er an Deck oder im Maschinenraum arbeiten? Oder wollte er Steward werden?
»Ich nehme, was ich kriege«, antwortete Joel. »Irgendwo muss man ja anfangen.«
»Ich war nie irgendwo anders als an Deck«, sagte Samuel. »Im Maschinenraum war es zu heiß und zu laut. Ich war immer an Deck.«
»Ich nehme, was ich kriege«, wiederholte Joel.
Am Stureplatz stiegen sie aus und wussten plötzlich nicht, was sie machen sollten. Jetzt lagen noch die langen Stunden vor ihnen, bis der Zug fuhr.
Joel fühlte sich unbehaglich und war gleichzeitig gespannt. Die ganze Zeit hatte er Angst, er könnte es sich plötzlich anders überlegen.
Sie schlenderten an den Kais entlang. Joel dachte ständig daran, dass er eigentlich etwas sagen müsste. Aber was? Und hatte Samuel wirklich keine guten Ratschläge für ihn? Sie schleppten eine Bürde Schweigen mit sich. Bis es endlich Zeit war, Samuels Koffer zu holen und zum Bahnhof zu gehen. Dort fragten sie nach Joels Rucksack. Aber der war weg. Und mit ihm die Schwarze Welle.
Samuel nahm seine Brieftasche und gab Joel neunzig Kronen.
»Das ist alles, was ich habe«, sagte er. Joel wollte das Geld nicht annehmen. Er brauchte nichts. »Du brauchst einige Kleidungsstücke zum Wechseln«, sagte Samuel. »Eigentlich müsstest du auch einen Seesack haben. Aber den kannst du dir von der ersten Heuer kaufen.« Dann gingen sie zu dem Bahnsteig, wo der Zug abfahren sollte. Aber der Zug war noch nicht da.
»Du machst es richtig«, sagte Samuel plötzlich. »Es ist richtig, dass du weggehst. Aber ich schaffe es nicht, jedenfalls nicht im Augenblick.«
»Vielleicht findest du jemanden, der für dich kocht.« »Das schaff ich schon.«
»Vergiss nicht, die Kartoffeln zu salzen, und lass sie nicht zu sehr kochen.«
Samuel nickte. »Ich werd dran denken.«
»Wenn ich dir deine Eier koche, zähle ich immer bis zweihundert. Dann sind sie genau so, wie du sie magst.« »Zählst du langsam oder schnell?«
Joel zählte. Samuel nickte. Er wollte es nicht vergessen. »Wenn du Hafergrütze gekocht hast, musst du hinterher kaltes Wasser in den Topf gießen. Sonst kriegst du ihn nie wieder sauber.«
Samuel versprach, es so zu machen. Und dann fuhr der Zug ein. Sie reichten sich die Hand. Beide hatten einen Kloß im Hals.
»Ich werde dir schreiben«, sagte Joel. »Wenn ich weiß, auf welchem Schiff ich lande.«
»Ich werd mich an die Sache mit dem Grützetopf erinnern«, sagte Samuel. »Kaltes Wasser. Sonst krieg ich ihn nicht mehr sauber.«
Dann gab es nichts mehr zu sagen.
Samuel stieg ein. Die Türen wurden geschlossen. Samuel hatte ein Fenster heruntergezogen.
»Wie weit hast du noch gezählt? Bis zweihundert?« »Ja.«
Der Zug ruckte an. Samuel nickte und hob die Hand. »Hoffentlich wirst du nicht seekrank!«, rief er.
Joel blieb stehen und sah dem Zug nach. Einen Augenblick hatte er Lust, ihm nachzulaufen und auf den letzten Waggon aufzuspringen.
Aber jetzt war es zu spät.
Der Zug war schon verschwunden.
Kurz nach fünf kam Joel in der Östgötastraße 32 an. Er hatte sich Unterwäsche und ein Hemd gekauft. Aber keine Turnschuhe. Er hatte immer noch vierzig Kronen übrig. In der Tasche hatte er die Zahnbürste, die er am ersten Tag gekauft hatte. Aber das war auch alles.
Er
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