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Joel 4 - Die Reise ans Ende der Welt

Joel 4 - Die Reise ans Ende der Welt

Titel: Joel 4 - Die Reise ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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hatte es so lange wie möglich hinausgezögert, hier anzukommen, und hatte überlegt, ob er es sich leisten konnte, noch eine Nacht im Hotel zu schlafen.
    Alles war so schnell gegangen. Es war, als ob er nicht mehr mit sich selbst Schritt halten konnte. Als ob sein Kopf an einem Ort und sein Körper an einem anderen war. Er hatte auch überlegt, ob er Sonja Mattsson anrufen sollte. Aber den Gedanken hatte er beiseite geschoben. Er traute sich nicht. Alles war so schon verwirrend genug. Und die ganze Zeit hatte er an Samuel gedacht. Mit jeder Sekunde, die verging, entfernten sie sich weiter voneinander.
    Er vergisst bestimmt die Kartoffeln zu salzen, dachte Joel. Er lernt es nie, so zu zählen, dass die Eier gerade richtig sind, wie er sie mag.
    Eigentlich müsste ich alles aufschreiben.
    Ein Kochbuch von Joel für Samuel.
    Mit Gerichten, die zwar nicht besonders gut schmecken, aber wenigstens nicht anbrennen.
    Schließlich konnte er es nicht mehr weiter hinauszögern. Jenny Rydén und ihre Töchter fragten sich bestimmt schon, wo er blieb.
    Er trat durch die Tür. Jenny Rydén wohnte im vierten Stock. Es gab einen Fahrstuhl. Aber Joel ging zu Fuß. Er wollte Zeit gewinnen um sich vorzubereiten.
    Jetzt würde er seine Schwestern kennen lernen. Eigentlich hätte er ihnen Geschenke mitbringen müssen. Als er den letzten Treppenabsatz vor dem vierten Stock erreichte, blieb er stehen. Dort setzte er sich hin. Er wünschte, er hätte ein Versteck gehabt. Ein Versteck, das man zusammenfalten und in die Tasche stopfen könnte. Und das man bei Bedarf wieder vorholen könnte.
    Noch war es nicht zu spät für ihn, es sich anders zu überlegen. Das Letzte, was Samuel ihm auf dem Bahnhof zugesteckt hatte, war die Rückfahrkarte. Wenn er sie nicht benutzte, konnte er sie Samuel in einem Brief schicken. Dann würde Samuel damit zum Bahnhof gehen und sich das Geld zurückgeben lassen.
    Joel hatte sie nicht haben wollen. Aber Samuel hatte nicht nachgegeben. Es konnte etwas passieren. Er könnte es sich anders überlegen.
    Joel fühlte in der Tasche nach. Die Fahrkarte war noch da.
    Er könnte den Zug nehmen, der am nächsten Tag fuhr. Und wenn Samuel aus dem Wald nach Hause kam, wären die Kartoffeln fertig.
    Das war verlockend.
    Aber er zwang sich. Er konnte nicht zurückfahren. In einigen Tagen würde er sein Seefahrtsbuch bekommen. Bis dahin würde er bei Jenny Rydén wohnen. Und bei seinen Schwestern.
    Unten wurde die Haustür geöffnet. Joel stand auf. Er konnte es nicht länger aufschieben. Er stieg die letzten Treppenstufen hinauf und klingelte an der Tür, an der J.
Rydén
stand.

11
    Jenny Rydén öffnete ihm.
    Hinter ihr spähten zwei Mädchen hervor. Die eine, die älteste, also Maria, hatte helle Haare und ein rundes Gesicht. Aber als Joel das andere Mädchen ansah, zuckte er zusammen.
    Es gab keinen Zweifel. Er und Eva waren sich sehr ähnlich. Was es war, konnte er nicht sagen. Aber als er sie anschaute, hatte er ein Gefühl, als sähe er sein eigenes Gesicht im Spiegel.
    »Wir haben uns schon Sorgen gemacht«, sagte Jenny Rydén und lächelte. Sie schien jetzt weniger nervös zu sein. Ihre Stimme war nicht mehr so angespannt wie beim ersten Mal. Joel hängte seine Jacke an die Garderobe und stellte die Tüte mit Kleidung ab. Sie betraten ein Wohnzimmer. Durch die Fenster schien die Sonne.
    »Das sind deine Schwestern«, sagte Jenny Rydén. »Maria und Eva.«
    Die Mädchen waren schüchtern und versuchten sich hintereinander zu verstecken. Joel war verlegen. Sollte er ihnen die Hand geben? Oder was sollte er tun?
    »Sie haben mir die ganze Zeit in den Ohren gelegen«, sagte Jenny Rydén, »wann ihr Bruder denn nun endlich kommt.« Ich bin also doch kein verstecktes Gespenst in einem Schrank gewesen, dachte Joel. Das war eine Erleichterung. Der Mann, der ihn im Umkleideraum geschnappt hatte, hatte keine Ahnung gehabt. Aber für die beiden Mädchen war er wirklich gewesen.
    »Ich möchte dir was zeigen«, sagte Jenny Rydén.
    Joel folgte ihr zu einer Wand, an der gerahmte Fotografien hingen. Ein Mann mit Bürstenhaarschnitt und Brille fesselte Joels Aufmerksamkeit.
    »Ist das Rydén?«
    »Das ist Papa«, sagte Maria.
    »Den wollte ich dir nicht zeigen«, sagte Jenny Rydén. Sie zeigte auf ein kleines Kind, das nackt auf einer Decke lag. Das Foto war schwarzweiß und dunkel. Joel beugte sich vor. »Wer ist das?«
    »Das bist du. Erkennst du, wo es aufgenommen wurde?« Joel betrachtete das Bild genau. Den Hintergrund konnte

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