JörgIsring-UnterMörd
gesagt, ich kann
Ihnen nichts versprechen. Ich weiß nicht einmal, wann und ob ich überhaupt
wieder nach London fliege. Außerdem: Wenn man mich verfolgt, werde ich es nicht
merken. Ich bin kein Nachrichten-Profi. Ich bin Geschäftsmann.«
Krauss schüttelte
den Kopf. »Soll ich Ihnen sagen, was Sie sind? Ein guter Mensch. Ich bin Ihnen
zu allergrößtem Dank verpflichtet.«
Der Schwede setzte ein schiefes Lächeln auf. »Das höre ich in letzter Zeit
häufiger.«
19.
29. August Innenstadt, später Nachmittag
Krauss stieg zu Oda in den BMW. Sie hatten vereinbart, sich zwei Stunden
nach dem Gespräch mit Dahlerus in einer Seitenstraße hinter dem Hotel zu
treffen. Krauss warf sich in die harten Polster der schnittigen Limousine.
Oda sah ihn erwartungsvoll an. »Und?«
Er lächelte. »Er
macht es.«
Sie lächelte zurück. »Ich habe es gewusst.«
Krauss blickte auf die Straße. »Aber er weiß nicht, wann er wieder nach
London muss. Ob er überhaupt noch mal fliegt. Das ist das Einzige, was mir
Sorgen macht. Momentan sehe es eigentlich sehr gut aus für die Verhandlungen,
hat er erzählt. Sie hätten einen Durchbruch erzielt. Henderson erhält heute
Abend Hitlers Antworten auf die letzte britische Note. Dahlerus geht davon aus,
dass dies der Auftakt für direkte Friedensgespräche sein könnte. Seine Aufgabe
wäre damit erledigt.«
Oda hatte bei Krauss' Worten ein zunehmend ernsteres Gesicht aufgesetzt.
»Das klingt nicht gut.«
»Aber er hat mir versichert, dass er auch in diesem Fall erst nach London
fliegen wird, bevor er den Heimweg nach Schweden antritt. Wir wissen nur
nicht, wann das sein wird. Es kann noch Tage dauern. Dabei habe ich das Gefühl,
dass uns die Zeit davonläuft.«
Oda umklammerte das Lenkrad. »Wir haben noch ein Problem.« Krauss sah sie
fragend an.
»Wir werden verfolgt. Ich habe es erst vorhin bemerkt, als ich mehrmals um
den Block fahren musste, um einen Parkplatz zu finden. Ein schwarzer Opel
Kadett - zwei Männer. Ich konnte sie nicht erkennen. Sie parken dreihundert
Meter hinter uns.«
»Was meinst du, wie lange sie hinter uns her sind?
Haben sie mich ins Hotel gehen sehen?«
»Keine Ahnung, ich weiß es nicht. Tut mir leid.«
Krauss überlegte. »Wir müssen den Plan ändern. Ich habe Dahlerus mein Wort
gegeben, Edgar nicht anzutasten, so lange es Hoffnung auf
Friedensverhandlungen gibt. Er hat Angst davor, dass ich auffliege und die
Gespräche platzen. Edgar bekommt also eine Schonfrist. Wir fahren direkt in das
Haus, von dem du mir erzählt hast, und warten ab. Unsere Verfolger müssen wir
loswerden.«
Oda hatte konzentriert zugehört. Sie zeigte keinerlei Zeichen von Unruhe.
»Ich hänge sie in der Stadt ab.«
Krauss schüttelte den Kopf. »Das reicht nicht. Wenn sie gesehen haben, wie
ich ins Hotel bin, könnten sie mich mit Dahlerus in Verbindung bringen.«
»Du willst sie ausschalten.«
»Wir brauchen eine unbelebte Seitenstraße und einen kleinen Vorsprung. Das
dürfte ausreichen.«
Oda drehte den
Zündschlüssel. Der Motor sprang an. »Es kann losgehen.«
Oda steuerte das Automobil durch den nachmittäglich dichten Verkehr. Sie
ist eine gute Fahrerin, dachte Krauss. Aufmerksam, vorausschauend,
entscheidungsfreudig. So bewältigte sie auch ihr Leben. Dass sie sich auf seine
Seite geschlagen hatte, konnte er kaum fassen. Manchmal beschlich ihn das
ungute Gefühl, dass sie ein falsches Spiel trieb. Aber dann blickte er ihr in
die Augen und meinte zu sehen, dass sie lange auf diesen Moment gewartet hatte -
den Moment der Genugtuung. Krauss reimte sich zusammen, dass sie nur einen Weg
sah, ihre geschundene Seele zu retten - indem sie dem Jungen gegen die Menschen
half, die ihr eigenes Leben zerstört hatten.
Im Verkehrsgetümmel hatte Krauss den Rückspiegel so eingestellt, dass er
den verfolgenden Wagen beobachten konnte. Der Opel hielt etwa zwei- bis
dreihundert Meter Abstand. Oda fuhr in ein Wohngebiet am Stadtrand. Sie hatte
eine bestimmte Straße im Sinn, ohne Ladenlokale, nur mit Mehrfamilienhäusern
bebaut, ein reines Wohnviertel.
Krauss zog die Walther aus der Jackentasche,
überprüfte das Magazin. Oda hatte ihm die Waffe gegeben, nachdem sie
Schein-Carinhall verlassen hatten. Als Beweis ihres Vertrauens.
Krauss ließ den Ladeschlitten einrasten. »Wie lange
noch?«
»Die zweite Straße rechts.«
»Gib Gas! Wir brauchen einen größeren Vorsprung. Wenn du um die Ecke
gefahren bist und wir keine Fußgänger sehen, hältst du an. Ich
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