JörgIsring-UnterMörd
dieser
Kreaturen losschicken würde, dann gnade uns Gott.
»Das stimmt. Aber
diese ist besonders heikel. Und sie könnte die englische Regierung in eine
prekäre Situation bringen, wenn Sie versagen.« Doyle versuchte, seine Stimme
wichtig klingen zu lassen. »Krauss, was ich Ihnen jetzt sage, darf nie, ich
betone: nie in die Öffentlichkeit gelangen. Was Sie bisher für uns getan haben,
war Kleinkram. Sie haben hier und da ein wenig aufgeräumt, ein paar lästige
Kakerlaken in die Kanalisation befördert. Ecken und Kanten abgeschliffen.
Verstehen Sie mich richtig, wir sind Ihnen dankbar, sehr dankbar sogar, aber
von diesem neuen Auftrag hängt mehr ab als von allen anderen, die Sie bisher
so zuverlässig ausgeführt haben.« Doyle verschränkte seine Hände. »Es geht um
die Zukunft unseres Landes, um die Zukunft Europas, vielleicht der Welt.«
»Seit wann schwafeln Sie solchen Unsinn?«
»Das ist kein Unsinn. Ich versuche nur, Sie für einen
Auftrag zu erwärmen, der alles Vorherige in den Schatten stellt.«
»Machen Sie es nicht so theatralisch. Sagen Sie mir einfach, worum es
geht.«
Doyle lehnte sich weit nach vorne, roch den Duft des schalen Kaffees vor
sich auf dem Tisch. Wie die Nazis, ging Doyle plötzlich auf, verfault,
stinkend, ein brauner Morast, der alles zu ersticken drohte. »Sie müssen in
Deutschland etwas für uns erledigen.«
»Sie meinen jemand.«
Doyle nickte unmerklich.
»Sie wissen, dass es dort einige Menschen gibt, die mich leicht
identifizieren können. Je nachdem, was Sie vorhaben, wäre das ein gefährliches
Spiel.«
»Dessen sind wir uns bewusst.«
Doyle fragte sich zum wiederholten Mal, ob Krauss die Leichen am Hafen zu
verantworten hatte. Das Massaker von der Canal Street nannten es die Medien.
Zeugen wollten einen blonden Mann gesehen haben, der bewaffnet aus dem Haus
gestürmt war und eine Frau verfolgt hatte. Aber ihre Aussagen waren zu ungenau,
widersprachen sich. Die Kaltblütigkeit, am helllichten Tag in ein Haus zu gehen
und zwei Menschen zu erschießen, besaßen nur wenige. Bei der Auswertung der
Spuren war die Polizei bisher nicht wesentlich weitergekommen, doch alles
deutete darauf hin, dass es noch ein weiteres Opfer gab. In einem Zimmer hatte
man Blutflecken gefunden. Möglich, dass sie von einem der beiden Opfer
stammten. Vielleicht gab es auch eine dritte Person. Über die Identität der
Toten war bisher nicht viel bekannt, weil keine Papiere gefunden wurden. Doyle
erschien das höchst merkwürdig. Angeblich waren die Mieter englische
Geschäftsleute. Das Haus gehörte einer walisischen Import-Export-Firma, die es
über einen Makler vermietet hatte. Bald würden sie mehr wissen. Es würde ihn
nicht wundern, wenn der blonde Killer, dem er hier gegenübersaß, darin
verwickelt war. Krauss war wahnsinnig genug, so kaltblütig und rücksichtslos
vorzugehen. Bisher hatten sie aber zu wenig in der Hand, um eine Verbindung
herzustellen. Nur wenn es so war, musste er wissen, was dahintersteckte. Denn
momentan brauchte er Krauss dringender denn je.
Verstohlen betrachtete der Engländer sein Gegenüber. Krauss wirkte
merkwürdig abwesend. Zu gern hätte Doyle gewusst, was in dem Deutschen vorging.
Hatte er erneut die Seiten gewechselt? Noch am Morgen hatten sie bei einer
Besprechung im Hauptquartier darüber diskutiert, wie vertrauenswürdig Krauss
war. Am Ende einigten sie sich darauf, dass er keine unmittelbare Gefahr
darstellte. Der Auftrag war vorrangig, es gab dafür keinen besseren Mann als
den Deutschen. Genauso wenig wie einen triftigen Grund, an seiner Loyalität zu
zweifeln. Auch wenn Doyle das nicht gefiel.
»Sie besitzen eine reelle Chance. Aussehen lässt sich verändern, außerdem
hatten Sie nur mit wenigen Personen engen Kontakt. Nach unserer Einschätzung
können Sie sich - mit entsprechender Vorsicht - frei bewegen. Außerdem haben
Sie einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Kandidaten: Deutsch ist
Ihre Muttersprache. Sie kennen die Mentalität, die üblichen Gepflogenheiten.
Bei allem Respekt - Sie sehen aus wie ein Nazi. Ihnen stehen alle Türen offen.«
»Um wen geht es?«
»Lassen Sie mich
noch eines sagen, bevor ich Ihnen den Namen verrate. Mit diesem Auftrag endet
unsere Zusammenarbeit. Egal, wie Sie sich entscheiden. Sie sind bestens von uns
versorgt, und das wird auch so bleiben. Dass wir Ihnen dankbar sind, habe ich
schon erwähnt. Aber wenn ich gleich durch diese Tür gehe, habe ich alles
vergessen, was ich Ihnen gesagt habe. Ich
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