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JörgIsring-UnterMörd

Titel: JörgIsring-UnterMörd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Wenn sie Bensler erwischten, würde seine eigenmächtige Aktion wohl
auffliegen. Bisher hielt sich die Polizei allerdings bedeckt.
    Nur Doyle musterte ihn ab und an merkwürdig.
    Krauss schalt
sich einen Narren, der unter Verfolgungswahn litt. Aber er konnte sich des
Gefühls einfach nicht erwehren, dass alles ins Wanken geriet, sie am Rande
eines Abgrundes taumelten. Seine Gedanken kreisten nur noch um dieselbe Sache:
Er musste Bensler finden, und er musste ihn töten. Doch das würde nicht
reichen. Nach dem, was geschehen war, musste er in die Offensive gehen. Ins
letzte Gefecht ziehen, hörte sich besser an, dachte er sarkastisch. Es gab noch
so viele offene Rechnungen zu begleichen. Ganz obenan stand Edgar. Sein großer
Bruder. Mit Edgars Tod würde auch der Wille erlahmen, weiter nach dem Jungen zu
suchen. Sein Bruder musste sterben - Krauss musste ihn töten, und wenn es das
Letzte war, was er tat. Nur so würde keine Spur zurückführen. Vielleicht war
das Hannas Vermächtnis. Sein Haus erschien ihm auf einmal sehr klein.
    Doyles Anwesenheit störte ihn dabei, die Dinge zu durchdenken. Krauss
öffnete die Tür zum Garten, trat hinaus auf die kleine Terrasse. Doyle blieb vor
seiner Tasse Kaffee sitzen, wollte ihm wohl Gelegenheit geben, das eben Gesagte
zu verdauen. Krauss war ihm dafür dankbar. Entbehrte die Situation doch nicht
einer gewissen Komik. Da redeten zwei erwachsene Männer an einem heißen
Augusttag in einem gewöhnlichen Reihenhaus beim Kaffee darüber, den
gefährlichsten Staatsmann der Welt zu töten. So etwas fiel nur den Briten ein.
Kraus hatte diesen Menschenschlag in den vergangenen Jahren schätzen gelernt
und hoffte darauf, dass die Engländer den Deutschen im Falle einer neuerlichen
Auseinandersetzung wieder Paroli bieten würden. Eine Eskalation schien ihm
unausweichlich. Alles, was Hitler gesagt und getan hatte, steuerte
unweigerlich darauf zu. Der selbsternannte Führer hatte nie einen Hehl daraus
gemacht, wie seine Pläne aussahen. Nur steckte Europa offensichtlich den Kopf
in den Sand in der Hoffnung, der Kelch würde vorüberziehen. Wenn es noch leise
Zweifel gab, so hatte Bensler sie beseitigt - sein Auftrag, den Krieg unter die
Bevölkerung zu tragen und sie in Panik zu versetzen, sagte alles. Es sei denn,
man nahm dem Diktator die Möglichkeit, seine Pläne in die Tat umzusetzen.
    Einem Impuls folgend, schlüpfte Krauss aus seinen Sandalen und lief barfuß
über das Gras. Es fühlte sich angenehm auf der Haut an, weich und trotz der
hohen Lufttemperatur kühl. Am liebsten hätte er sich lang hingelegt, das Spiel
der Wolken verfolgt. Dies und die Begegnung mit Bensler wühlten tief in seinem
Gedächtnis vergrabene Erinnerungen wieder auf. An funkelnde Jugendtage, an
eine Zeit, in der er manchmal platzen wollte vor Glück. Die Ferien hatte die
Familie Krauss immer am Starnberger See verbracht, Edgar und er waren viel
geschwommen oder mit dem Boot rausgerudert. Einige Male hatten sie gefischt und
der Mutter stolz ihren Fang präsentiert. Etliche der schönsten Wochen seines
Lebens verband Krauss mit den Ferien am See. Schlagartig war all das vorbei
gewesen, hatte für sie eine andere, vergiftete Zeit begonnen. Wehmütig dachte
er an ihren letzten unbeschwerten Sommer im Jahr 1923.
    Mit Edgar an seiner Seite schien ihm die Welt zu Füßen zu liegen, bereit,
erobert zu werden. An jenem flirrend blauen Tag, an den er jetzt denken musste,
hatte er mit Edgar auf dem Steg gesessen. Edgar und Richard, die blonden
Brüder. Vor ihnen ausgebreitet lag der See, glatt und geheimnisvoll wie ein
Monolith. Ein Reiher watete im Schilf. Wasserläufer tanzten schwerelos auf der
Oberfläche, auf der Suche nach mikroskopischen Häppchen. Warmer Wind
umschmeichelte ihre Körper. Damals hatte ihn die Schönheit der Natur nur
beiläufig berührt, weil er sich stets auf seinen Bruder konzentrierte. Auf
Edgar, den Makellosen, der mit seinem gewinnenden Lächeln jeden für sich
einnahm, selbst denjenigen, der ihm fünf Minuten zuvor noch die Pest an den
Hals gewünscht hatte. Neben Edgars Glanz verblasste alles und jeder, auch
Richard. Obwohl ihm die Gene denselben blonden Haarschopf geschenkt hatten,
denselben kantigen, wie mit dem Lineal gezeichneten Kiefer, dieselben blauen
Augen. Aber während Edgars Pupillen warm leuchteten wie Opale, irritierte
Richards wässrig kühler Blick. Es war zwar nur eine Nuance im Farbton, aber
die entschied über ein Schicksal. Viele Mitschüler fanden Richard

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