JörgIsring-UnterMörd
nicht.«
Nachdem Göring ihn am Hotel abgesetzt hatte, ging Dahlerus auf sein Zimmer
und ruhte sich aus. Zum Dinner war er mit einem befreundeten Bankdirektor
verabredet, Allan Wettermark. Beim Essen diskutierten sie die heraufziehende
Krise, und Wettermark warnte seinen Landsmann davor, sich zu sehr auf Göring
zu verlassen, weil dessen Position gegenüber Hitler geschwächt sei. Dahlerus
entgegnete, dass ihm keine andere Wahl bleibe und er lieber auf den zweiten
Mann im Deutschen Reich setze als auf gar keinen.
Gegen dreiundzwanzig Uhr verabschiedeten sich die beiden Gesprächspartner,
und Dahlerus zog sich in sein Zimmer zurück. Eine halbe Stunde später schrillte
das Telefon.
Göring war am Apparat.
»Mein lieber Dahlerus, die Sache ist komplizierter als gedacht. Ribbentrop
hat bei Stalin mehr herausgeholt, als ich vermutet habe. Das heißt, Sie müssen
ihre Anstrengungen verdoppeln. Überzeugen Sie die Engländer davon, sich an den
Verhandlungstisch zu setzen, Dahlerus, aber tun Sie es schnell. Ich habe den
Verdacht, dass uns nicht mehr viel Zeit bleibt.«
»Ich fliege morgen mit der 8-Uhr-Maschine.«
»Ausgezeichnet. Viel Glück. Wenn es einer schaffen kann, dann Sie.«
Dahlerus war sich längst nicht so sicher wie der deutsche Feldmarschall,
ob er es schaffen könne, aber er hatte auch nicht vor aufzugeben. Gleich nach
der Landung in London schrieb er sich seine Gedanken von der Seele, verfasste
für die britische Regierung einen genauen Bericht der Lage, so wie er sie sah.
Im Laufe des Tages erreichte ihn die Nachricht, dass Nevile Henderson, der
britische Botschafter in Berlin, zu Gesprächen in die Reichskanzlei gebeten
worden war. Alles schien plötzlich auf dem richtigen Weg, eine Annäherung von
England und Deutschland nicht mehr ausgeschlossen. Sollte sich das Blatt so
schnell gedreht haben? Der Schwede traute sich kaum, dies als Hoffnungsschimmer
zu deuten, aber die gute Stimmung seiner britischen Freunde riss ihn mit.
Am Nachmittag eröffnete ihm zudem der englische Außenminister Lord Halifax
bei einer Besprechung im Foreign Office, dass man Dahlerus' Dienste wohl nicht
mehr in Anspruch nehmen müsse. Es zeichne sich ab, dass man nun direkt mit den
Deutschen verhandle, wenn sich auch Henderson nach seinem Besuch in der
Reichskanzlei noch nicht gemeldet habe. Halifax bedankte sich herzlich bei dem
Schweden für dessen Bemühungen, und Dahlerus spürte so etwas wie Erleichterung.
Mehr, als die großen Kontrahenten an einen Tisch zu bringen, war nie sein Ziel
gewesen, alles Weitere mussten die Politiker unter sich ausmachen. Das
Einzige, was ihn störte, war das Tempo, in dem die Dinge sich entwickelten.
Gestern noch hatte Göring unheilschwanger darauf gedrungen, dass keine Zeit zu
verlieren sei, heute schloss er die Briten schon in die Arme. Aber ihm blieb
wenig Gelegenheit zum Grübeln, weil Spencer und die anderen mit ihm anstoßen wollten.
Beim Dinner im Carlton herrschte eine entspannte Atmosphäre, die Männer
plauderten alle durcheinander, angespornt von den Ereignissen, zu deren
positiver Entwicklung sie ihren Teil beigetragen hatten.
»Wenn Ihr mich
fragt, dann waren es die köstlichen Köttbullar, die Göring überzeugt haben. Er
hat nach jedem, das er verputzt hat, seliger gelächelt.« Sir Robert Renig nahm
kichernd einen Schluck aus seinem halbvollen Pint.
Die Runde lachte.
»Genau, ich hab's gesehen. Es war so zwischen dem achten und dem zehnten
Klops, als er sich entschieden hat.«
»Hast du Bodenschatz beobachtet? Der war stinksauer.«
»Weil er hungrig
wieder abziehen musste. Göring hat immer schneller zugegriffen. So ist das nun
mal bei den Nazis.«
»Bodenschatz ist doch auch ein Nazi.«
»Ja, aber einer, der nicht zum Zuge kommt.«
So ging es eine Weile weiter, und Dahlerus fragte
sich, ob sie sich nicht zu früh freuten. Er äußerte seine Zweifel. Spencer und
die anderen hörten ihm aufmerksam zu.
»Wenn du so skeptisch bist, Birger, warum rufst du Göring nicht an? Er ist
doch jederzeit für dich zu sprechen, behauptet er. Frag ihn, was dran ist am
neuen Kurs und ob damit zu rechnen ist, dass die Deutschen und die Engländer
ihre Probleme ausräumen. Ruf ihn an, Birger!«
Dahlerus hatte selbst schon damit geliebäugelt, sich persönlich Gewissheit
zu verschaffen. Spencers Vorschlag stieß also auf fruchtbaren Boden. Der
Schwede ging an die Rezeption, um ein Telefongespräch mit Berlin anzumelden.
Dort teilte man ihm jedoch mit, dass alle Verbindungen
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