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JörgIsring-UnterMörd

Titel: JörgIsring-UnterMörd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Raum
akribisch nach etwas, das ihm als Waffe dienen könnte. Er fand nichts. Einen
Augenblick erwog er, Oda ein Buch an den Kopf zu werfen und sie so zu
überraschen, schob die Idee aber gleich wieder beiseite. Sie hätte ihm sofort
eine Kugel zwischen die Rippen geschossen.
    Er setzte sich
aufs Bett und rekapitulierte seine Lage. Sie war, gelinde gesagt, schwierig. Es
galt, die erstbeste Chance zu ergreifen. Oder sich töten zu lassen. Nicht die
schlechteste Alternative. Krauss zog eine Kugel von Oda einer langen Folter
eindeutig vor. Vielleicht sollte er es darauf ankommen lassen.
    Wie aufs
Stichwort wurde die Tür geöffnet. Oda trug noch die Uniform. Statt mit der
Maschinenpistole war sie wieder mit der Luger bewaffnet. Sie setzte sich auf
den Sessel und legte die Luger auf die Lehne, den Lauf auf ihren Gefangenen
gerichtet. Ein Gewohnheitstier, dachte Krauss. Ihr Besuch mit Göring lag etwa
zwei Stunden zurück, schätzte er. Seine Bedenkzeit war wohl um.
    »Du hast mir deine Geschichte erzählt, jetzt möchte ich dir meine
erzählen«, sagte sie.
    Krauss sah sie erstaunt an. In welche Trickkiste griff sie jetzt? Er
schwieg.
    Oda sprach seltsam monoton. »Meine Mutter ist eine Schwester von Göring.
Sie hatten nie viel miteinander zu tun, aber sie gehört nun mal zur Familie.
Göring hatte vier Geschwister. Mein Vater ist nach dem Krieg nie mehr richtig
auf die Beine gekommen. Er war meistens schlechtgelaunt, jähzornig,
gewalttätig. Gearbeitet hat er nur gelegentlich. Wir haben uns gerade so über
Wasser gehalten. Als ich sieben wurde, drei Jahre nach Ende des Krieges, fing
er zum ersten Mal an, mich zu befummeln. Ich habe mir nichts dabei gedacht,
obwohl es mir komisch vorkam. Es war unser Geheimnis, erzählte er mir. Mit acht
Jahren hat er mich vergewaltigt. Es war schrecklich. Ab diesem Tag war meine
Kindheit beendet.«
    Oda berührte mit den Fingern die Luger. Krauss blieb
stumm.
    »Das ging so weiter, bis ich vierzehn wurde. Es war schon längst nicht mehr
das Geheimnis von mir und meinem Vater, denn meine Mutter wusste davon. Aber
sie schwieg, aus Angst, nehme ich an. Wenn ich mit ihr darüber sprechen wollte,
wiegelte sie ab. Ich fühlte mich fürchterlich, dachte daran, mich umzubringen.
Dann wurde ich schwanger. Mein Vater hat mich geschlagen, als er es bemerkte,
da war ich schon im vierten Monat. Er sagte, das Kind müsse weg. Aber ich
wollte es nicht abtreiben lassen, weil ich der Ansicht war, das Kind könne
nichts dazu. Es hatte ein Recht darauf, zu leben. Ich wusste nicht mehr, was
ich tun sollte. In meiner Verzweiflung habe ich mich an meinen mächtigen Onkel
gewandt, an Hermann Göring. Es war 1928, und er war inzwischen ein wichtiger
Mann in der NSDAP. Ich dachte, er könnte mir helfen. Das hat er auch.«
    Oda machte eine Pause, seufzte.
    »Er ist mit drei SA-Leuten bei uns aufgekreuzt und hat meinen Vater auf das
Übelste zusammenschlagen lassen. Wenn er nicht zur Familie gehören würde, wäre
er jetzt ein toter Mann, hat er ihn angeschrien. Meine Mutter hat die ganze
Zeit daneben gesessen und geheult. Ich habe es mit angesehen und keine Träne
vergossen. Die Liebe zu meinem Vater war längst verbraucht. Meine Mutter tat
mir leid, mehr nicht. Nur für mein ungeborenes Kind empfand ich etwas. Göring
hat mich mit in mein Zimmer genommen. Dort hat er mir ein Angebot gemacht. Er
würde mich aus meiner Familie herausholen und für mich sorgen. Und er garantierte
mir, dass mich niemals mehr irgendjemand gegen meinen Willen anrühren würde.
Die Bedingung war, dass ich mein Kind nach der Geburt abgeben müsste. Er sagte,
ich müsse mich gleich entscheiden. Es war schrecklich. Aber ich hätte es in dem
Haus nicht mehr ausgehalten. Und ich sagte mir, dass es mein Kind gut haben
würde. Göring würde eine Familie aussuchen, in dem meinem Kind nicht das
gleiche Schicksal blühen würde wie mir. Ich vertraute Göring. Ich ging mit ihm
mit.«
    Oda schwieg. Krauss fragte sich, was diese Beichte bezwecken sollte. Er
wusste keine Antwort darauf. Oda fuhr fort.
    »Meinen Eltern bin ich seither nie mehr begegnet. Sie sind aus Berlin
weggezogen, ich wollte nie wissen, wohin. Mein Kind habe ich nicht einmal im
Arm gehalten. Ich weiß nicht einmal, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist. Das
sei besser so, hieß es, so könne ich keine emotionale Bindung herstellen. Das
ist natürlich totaler Quatsch. Ich spüre es, weiß, dass es lebt. Er lebt. Es
ist ein Junge. Er ist jetzt elf. Ich weiß, dass es ihm

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