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Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Titel: Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainald Goetz
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bist ja auch so ungeduldig, nimmst du denn Östrogene?« »Nee, ich bin auch so schon dick genug.« Dann redeten sie über die von Holtrop heute Morgen durchkalkulierten beruflichen Optionen.
    Holtrop war wirr, nur deshalb war seine Laune gut. Aus Sicht von Bodenhausen, 50 , Wiener, Philosoph, sehr vermögend, hatte Holtrop keine beruflichen Probleme, sondern persönlichkeitsstrukturelle Defekte, die Bodenhausen für unkorrigierbar hielt. Das hinderte ihn nicht daran, alle zwei Wochen mit Holtrop zu telefonieren und Spaß daran zu haben, sich dessen neueste Sicht der Dinge anzuhören. Von den vielen Unternehmern und Managern, die Bodenhausen kannte, war Holtrop wahrscheinlich wirklich der durchgeknallteste, allein das war Bodenhausen natürlich sympathisch. Unsympathisch war, wie Holtrop selber diese Durchgeknalltheit kultivierte. Es kam Bodenhausen so primitiv vor, dass Holtrop alles, was gut ankam, verstärkte, anstatt es abzuschwächen, primitiv, naiv, falsch, in manchen Bereichen auch gefährlich. Was Holtrop von dem wenig gut beleumundeten Kölner Finanzimpresario Mack erzählte, dem er jetzt neulich die Verwaltung über sein gesamtes privates Vermögen übertragen hatte, klang in Bodenhausens Ohren nicht gut. Es war immer wieder faszinierend zu sehen, wie wenig gut die Leute das Glück, plötzlich viel Geld zu haben, verkrafteten, wobei das Viel von dem bestimmt war, was sie vorher hatten. Von zweihunderttausend Euro mehr oder weniger wäre ein Holtrop nicht überfordert gewesen, auch zwei Millionen hätte ergut brauchen und bestens in sein Leben, vorallem aber sein Denken und Fühlen, integrieren können. Die vierzig Millionen Euro aber, die jetzt für den Fall, dass Holtrop von der Asspergspitze abging, über ihn hereinzubrechen drohten, waren für Holtrop zu viel Geld. Die Dämonie des Geldes wirkte vermittelt über die Hoffnung, vorher nicht erreichbare Möglichkeiten der Lebensführung für sich Wirklichkeit werden lassen zu können. Der Vorgriff auf zukünftige Potentialität fesselte den Geist der Menschen auf stier monomane, selbstzerstörerische Weise. Von herrlichsten Möglichkeiten in der Zukunft war die Gegenwart düster verschattet. Denn jede geldgegebene Möglichkeit war jetzt von der Angst begleitet, dass sie im nächsten Moment genauso imaginär geworden und wieder verschwunden sein könnte, wie das plötzlich sie ermöglichende Geld imaginär und plötzlich, warum?, wodurch verdient?, im eigenen Besitzbereich erschienen war. Unruhe, Gier, Angst waren die Folge sofort, auf Dauer dauernde Schlechtgelauntheit und Verblödung. Vor allem die Verblödung der plötzlich reich gewordenen Menschen war für Bodenhausen, dessen Wälder, Güter, Grund- und Landbesitzungen schon seit Generationen in der Familie waren und von Wien aus weit nach Tschechien und Ungarn reichten, ein interessantes Kapitel. Nur die Liebe konnte eine vergleichbar totale Herrschaft über den Geist des Menschen errichten wie das Geld. Aber dem Geld fehlte das die Egomanie auch der Liebe konternde Element des duwärts gerichteten Wahns. Der Wahn des Geldes war weltlos und menschenleer. Diese Leere treibt die Geldverrückten in der traurig obsessiven Weise, die man aus der gelb- und rotbunten Gesellschaftspresse, leider aber auch aus der Wirklichkeit kennt, manisch zueinander. Hast du schon, warst du schon, gehst du auch? Dabei stolperten sie einem Nichts hinterher, Männer wie Frauen übrigens, auch der bösartigste Sexist wird da keinen Unterschied zum Nachteil der Frauen feststellen können, gleichermaßen, das ihnen unverständlich und final unerreichbar blieb, ihnen bei jedem Kontakt aber ein Stück ihrer Seele entriss. Restseelenruinen blieben übrig, ohne Seele aber hat das Denken, egal wie scharfsinnig betrieben, keinen Kompass, kann die richtige Richtung nicht erkennen, bleibt es dumm. In dieser Gefahr der von privater Geldgier angetriebenen Verblödung sah Bodenhausen auch seinen Freund Holtrop, sagte ihm dies auch, was in Holtrop aber nur Abwehrheiterkeit und flapsige Sprüche hervorbrachte, keinen auf sich selbst und das Problem gerichteten Gedanken. »Du hast ja gut reden«, sagte Holtrop, »mit deinen Latifundien, Moment, ich höre jemand klopfen!« »Natürlich, gut, bis bald.« Sie verabredeten noch ein Anschlusstelefon eventuell morgen, dann nahm Holtrop den anklopfenden Anruf, der von Salger kam, entgegen und lehnte sich zurück.

XXIX
    Vier Stunden später machte Holtrop den nächsten Fehler. Zu dem Frühstück bei

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